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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Schritt zurück, beschämt
    über den Unfall, den ich verursacht hatte; das Pferd versuchte
    verzweifelt Fuß zu fassen. Als der Hund den Tumult bemerkte, kam er
    angelaufen, legte mir den Stock vor die Füße, und als er seinen Herrn
    in Schwierigkeiten sah und das Pferd ächzen und stöhnen hörte,
    begann er aufgeregt zu bellen, so daß sein heiseres Knurren durch den
    stillen Abend hallte. Die junge Frau näherte sich dem Mann mit tief
    besorgter Miene. Sie wollte sich nützlich machen, ihre
    Hilfsbereitschaft zeigen, und sagte: »Sind Sie verletzt, Sir?«
    Der Reiter murmelte etwas Unverständliches und würdigte sie
    keines Blickes.
    »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte sie noch einmal.
    »Treten Sie beiseite«, antwortete der Reiter schroff und rappelte sich
    mühsam hoch. Die junge Frau trat zurück, während der Reiter seinem
    Pferd, das wild mit den Hufen klapperte und stampfte, auf die Beine
    half. Nachdem er den Hund mit einem lauten »Kusch!« zum
    Schweigen gebracht hatte, bückte er sich und betastete sein Bein; es
    war offenbar verletzt. Seinem brüsken Benehmen nach zu urteilen,
    war mir der Mann gewiß ganz schrecklich böse, doch als er mich zum
    zweiten Mal erspähte, zwinkerte er mir zu meinem größten Erstaunen
    freundlich zu und mahnte mich zum Schweigen, indem er lächelnd
    einen Finger an die Lippen hob. Ich erwiderte sein Lächeln, und der
    Reiter wandte sich der jungen Frau zu. Dabei verzog sich sein Gesicht
    erneut zu einer düsteren Grimasse, wie es seine Rolle verlangte.
    Von ganz weit oben hörte ich eine Stimme. Sie rief meinen Namen.
    Dunkle Wolken rasten über den Himmel. Die kalte Luft auf meinen

    - 79 -
    Wangen erwärmte sich, als der Weg, das Roß, der Reiter und die
    junge Frau verschwanden und in den Roman zurückkehrten, dessen
    Seiten sie entsprungen waren. Der Museumssaal nahm Gestalt an, und
    die Bilder und Gerüche wurden wieder zu bloßen Wörtern, als die
    Japanerin den Satz zu Ende las.

    … denn er hinkte zum Zauntritt, wo ich eben noch gesessen hatte,
    und ließ sich nieder.

    »Thursday!« rief meine Tante Polly wütend. »Nun trödel doch nicht
    so. Du verpaßt ja die Hälfte!«
    Sie nahm mich bei der Hand und zerrte mich davon. Ich drehte mich
    um und winkte der Japanerin zum Dank; sie lächelte freundlich
    zurück.

    Ich war später noch ein paarmal im Museum, aber der Zauber hat nie
    wieder gewirkt. Als ich zwölf war, fast schon eine junge Frau,
    bewegten sich meine Gedanken längst in anderen Bahnen. Der einzige
    Mensch, mit dem ich je darüber gesprochen habe, war mein Onkel. Er
    nickte weise und glaubte mir aufs Wort. Sonst weiß niemand davon.
    Gewöhnliche Erwachsene haben es nicht so gern, wenn Kinder über
    Dinge sprechen, für die sie das Gespür verloren haben.
    Mit den Jahren begann ich an meinen Erinnerungen zu zweifeln, bis
    ich sie an meinem achtzehnten Geburtstag schließlich ein für allemal
    zum Produkt meiner überhitzten kindlichen Phantasien erklärte. Daß
    Rochester am fraglichen Abend vor der Wohnung von Styx
    aufgetaucht war, verwirrte mich allerdings ziemlich. Die Wirklichkeit,
    soviel stand fest, geriet zusehends aus den Fugen.

    - 80 -
    7.
    Schitt von der Goliath Corporation
    … Niemand wird ernstlich bestreiten, daß wir der Goliath
    Corporation zu Dank verpflichtet sind. Sie hat uns beim
    Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg tatkräftig
    unterstützt, das dürfen wir keinesfalls vergessen. In
    jüngster Zeit jedoch hat es den Anschein, als habe sich
    die Goliath Corporation vom Prinzip der Fairness und der
    Solidarität verabschiedet. Wir befinden uns nunmehr in
    der unangenehmen Lage, eine Schuld abtragen zu
    müssen, die wir längst beglichen haben – mit Zinsen …
    Parlamentsrede des englischen Goliathskeptikers
SAMUEL PRING
    Ich stand auf dem SpecOps-Gedenkfriedhof in Highgate und
    betrachtete Snoods Grabstein. Die Inschrift lautete:
    Filbert R. Snood
    Er opferte seinem Beruf
    die besten Jahre seines Lebens.
    Die Zeit wartet auf niemanden
    SO-12 & SO-5
    1953-1985
    Es heißt, Arbeit macht alt – sie hatte Filbert um Jahrzehnte altern
    lassen. Es war vermutlich besser, daß er sich nach dem Unfall nicht
    bei mir gemeldet hatte. Es hätte nie im Leben funktioniert, und die –
    unvermeidliche – Trennung wäre zu schmerzhaft gewesen. Ich legte
    einen Kiesel auf seinen Grabstein und wünschte ihm Lebewohl.
    »Sie sind ein Glückspilz«, sagte eine Stimme. Ich drehte mich um;
    auf der Bank mir gegenüber saß ein kleiner

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