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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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finanziell und auch sonst exzellent ausgestattet. Also, ich an
    Ihrer Stelle würde mich nicht zweimal bitten lassen«, sagte ich. Es
    war mein voller Ernst.
    »Ach ja? Wirklich?« fragte Bowden mit einer jähen Begeisterung,
    die so gar nicht zu seiner ansonsten sehr kühlen Art passen wollte.
    »Na klar. Tapetenwechsel«, stammelte ich und suchte nach einem
    neuen Gesprächsthema, damit Bowden sich keine falschen
    Hoffnungen machte. »Sind Sie … äh … schon lange bei den LitAgs?«
    Bowden dachte einen Augenblick nach. »Seit zehn Jahren. Ich bin,
    gleich nachdem ich in Cambridge meinen Abschluß in Literatur des
    neunzehnten Jahrhunderts gemacht hatte, zu den SpecOps gegangen.
    Jim Crometty hat mich vom ersten Tag an unter seine Fittiche

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    genommen.« Er starrte wehmütig aus dem Fenster. »Wenn ich
    dabeigewesen wäre …«
    »… wären Sie jetzt beide tot. Wer einem Menschen sechsmal ins
    Gesicht schießt, ist kein Sonntagsschüler. Er hätte Sie auch
    erschossen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dieses ewige Was-wärewenn führt doch zu nichts; glauben Sie mir, ich spreche aus
    Erfahrung. Hades hat zwei meiner Kollegen auf dem Gewissen. Ich
    habe mir das hundertmal durch den Kopf gehen lassen, trotzdem
    würde ich es wahrscheinlich noch einmal ganz genauso machen, wenn
    ich könnte.«
    Lottie stellte einen Korb frischgebackenes Brot und zwei Teller
    Suppe vor uns hin.
    »Lassen Sie sich’s schmecken«, sagte sie. »Das geht auf Kosten des
    Hauses.«
    »Aber …!« protestierte ich.
    Lottie brachte mich zum Schweigen. »Keine Widerrede«, sagte sie
    tonlos. »Nach dem Angriff. Nach dem Granatüberfall, als die Leichte
    Brigade zerschossen am Boden lag – sind Sie noch mal rein und haben
    getan, was Sie konnten. Sie sind zurückgegangen und haben versucht,
    die Verletzten zu retten. Ich weiß das zu schätzen.« Sie drehte sich um
    und verschwand.
    Die Suppe war gut, die rojoes cominho sogar noch besser.
    »Victor meinte, Sie seien in London für Shakespeare zuständig
    gewesen«, sagte Bowden.
    Das war das bei weitem renommierteste LitAg-Ressort. Dicht
    gefolgt von den Lake Poets und der Restaurationskomödie. In jeder
    Behörde, so gleichberechtigt die Mitarbeiter pro forma auch sein
    mochten, etablierte sich früher oder später eine Hackordnung.
    »Da es in London kaum Aufstiegsmöglichkeiten gab, wurden mir
    nach zwei Jahren die Shakespeare-Fälle zugeteilt«, erklärte ich und
    zupfte an einem Stück Brot. »In London hatten wir vor allem mit den
    Baconiern große Probleme.«
    Bowden blickte auf. »Was halten Sie von der Bacon-Theorie?«

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    »Nicht viel. Wie die meisten anderen Menschen bin ich ziemlich
    sicher, daß an Shakespeare mehr dran ist als nur Shakespeare. Aber
    daß Sir Francis Bacon einen so gut wie unbekannten Schauspieler als
    Strohmann benutzt haben soll? Ich bitte Sie. Das kann ich nicht
    glauben.«
    »Er war praktizierender Rechtsanwalt«, widersprach Bowden. »Und
    in vielen seiner Stücke kommen juristische Begriffe vor.«
    »Das beweist gar nichts«, entgegnete ich. »Auch Greene, Nashe und
    vor allem Ben Jonson verwenden juristische Fachausdrücke; keiner
    von ihnen war studierter Jurist. Und mit den sogenannten
    Schlüsselwörtern brauchen Sie mir gar nicht zu kommen.«
    »Die können wir komplett vergessen«, meinte Bowden. »Wenn Sie
    mich fragen. Ich bin auch kein Baconier. Die Stücke sind nicht von
    ihm.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Wenn Sie De Augmentes Scientarium lesen, werden Sie feststellen,
    daß Bacon das populäre Theater ablehnt. Außerdem wurde
    Shakespeares Truppe, als sie beim König um die Genehmigung
    ersuchte, ein Theater zu gründen, an den Petitionsausschuß verwiesen.
    Dreimal dürfen Sie raten, wer dieser Kommission angehörte und sich
    am vehementesten gegen den Antrag aussprach.«
    »Francis Bacon?« fragte ich.
    »Genau. Wer auch immer die Stücke geschrieben hat, Bacon war es
    auf keinen Fall. Ich habe im Lauf der Jahre ein paar eigene Theorien
    entwickelt. Haben Sie schon mal von Edward De Vere, dem
    siebzehnten Earl of Oxford, gehört?«
    »Kann sein.«
    »Vieles deutet darauf hin, daß er, im Gegensatz zu Bacon, wirklich
    schreiben konnte, und zwar sehr gut – Moment.«
    Lottie hatte ein Telefon an den Tisch gebracht. Es war für Bowden.
    Er wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. »Ja?« Er hob den
    Kopf und sah mich an. »Ja, ist sie. Wir sind gleich da. Danke.«
    »Ist was passiert?«

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    »Es geht um Ihren

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