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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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brüllten die Zuschauer.
    »Jetzt zieren unsere Brauen Siegeskränze«, fuhr Richard fort, ohne
    sie eines Blickes zu würdigen. Obwohl wir das Stück mindestens
    dreißigmal gesehen hatten, sprach ich den Text im stillen immer noch
    mit.
    »… zu den holden Klängen einer Laute …«, sagte Richard und
    mußte das Wort »Laute« mehrmals wiederholen, weil einige
    Zuschauer Alternativvorschläge machten.
    »Nasenflöte!« rief jemand neben uns. »Sackpfeife!« ein anderer.
    Obwohl das Stichwort längst gefallen war, krähte von hinten eine
    hohe Stimme »Tuba!« durch den Saal und wurde vom Publikum
    übertönt, das »Karte ziehen! Karte ziehen!« grölte, als Richard ihm
    feierlich erklärte, er tauge »nicht zu Possenspielen …«

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    Landen sah mich lächelnd an. Instinktiv erwiderte ich das Lächeln;
    ich amüsierte mich prächtig.
    »Ich, gar wüst geschlagen …«, brummte Richard, und der Rest des
    Verses ging im wüsten Schlagen und Trampeln des Publikums unter,
    das den Saal erbeben ließ.
    Landen und ich hatten nie das Bedürfnis verspürt, selbst auf den
    Brettern zu stehen, die angeblich die Welt bedeuten, und uns deshalb
    auch nie verkleidet. Die Produktion war das einzige Stück, das am
    Ritz gegeben wurde; die übrige Woche stand das Theater leer.
    Passionierte Amateurschauspieler und Shakespeare-Fans kamen aus
    dem ganzen Land, um darin mitzuspielen, und jede Vorstellung war
    ausverkauft. Vor ein paar Jahren hatte eine französische Truppe das
    Stück auf französisch aufgeführt und dafür Standing ovations erhalten;
    ein paar Monate später reiste eine einheimische Gruppe nach
    Sauvignon und erwiderte die Geste.
    »… und zwar so lahm und ungeziemend, daß Hunde bellen …«
    Das Publikum begann laut zu bellen und zu jaulen wie zur Fütterung
    im Hundeheim. Draußen vor der Tür zuckten einige Katzen, die in
    dieser Gegend neu waren, vor Schreck zusammen, während ihre
    alteingesessenen Kolleginnen lächelnd wissende Blicke tauschten.
    So ging das Stück dahin. Die Schauspieler leisteten glänzende
    Arbeit, die das Publikum mit – mal originellen, mal obskuren, mal
    schlichtweg vulgären – Witzeleien und Zurufen parierte. Als Clarence
    erklärte, der König sei davon überzeugt, »daß G den Erben Eduards
    nach dem Leben steh’«, brüllte das Publikum: »Gloucester fängt mit
    G an, du Trottel!«
    Und als Lady Anne den König auf die Knie gezwungen hatte und
    Richard das eigene Schwert an die Kehle hielt, ermunterten sie die
    Zuschauer, ihm den Hals durchzuschneiden; und als einer von
    Richards Neffen verlangte, Richard solle ihn auf den Schultern tragen,
    warnte ihn das Publikum: »Kein Wort über den Buckel, Kleiner!«, um
    gleich darauf zu verlangen: »Los, in den Tower mit ihm!«
    Gespielt wurde die Garricksche Kurzfassung des Stücks, die nur
    zweieinhalb Stunden dauert; zur Schlacht von Bosworth erklomm ein

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    Großteil der Zuschauer die Bühne und stürzte sich ins
    Kampfgetümmel. Richard, Catesby und Richmond mußten das Stück
    im Mittelgang beenden, während ringsum reichlich Theaterblut
    vergossen wurde. Ein rosa Pferd, in dem zwei Männer steckten,
    erschien, just als Richard sein Königreich für ein solches Tier anbot,
    und die Schlacht endete im Foyer. Dann nahm Richmond eins der
    Mädchen hinter dem Eisstand als Elizabeth und sprach seinen
    Schlußmonolog vom Balkon, während das Publikum ihn vom Parkett
    aus als neuen König Englands bejubelte.
    Es war ein toller Abend gewesen. Die Darsteller hatten sich
    glänzend geschlagen, und zum Glück war bei der Schlacht von
    Bosworth ausnahmsweise niemand ernstlich zu Schaden gekommen.
    Landen und ich verließen den Saal und sicherten uns einen Tisch im
    Café gegenüber vom Theater. Landen bestellte zwei Kaffee, und wir
    sahen uns lange an.
    »Du siehst gut aus, Thursday. Du bist besser gealtert als ich.«
    »Unsinn«, widersprach ich. »Schau dir diese Falten an …!«
    »Lachfalten«, beschwichtigte Landen.
    »Nichts ist so komisch.«
    »Willst du in Swindon bleiben?«
    »Ich weiß noch nicht«, antwortete ich und wandte den Blick ab. Ich
    hatte mir fest vorgenommen, kein schlechtes Gewissen zu haben, weil
    ich weggegangen war, aber …
    »Kommt drauf an.«
    »Worauf?«
    Ich hob die linke Augenbraue. »Auf SpecOps?«
    Da kam zum Glück der Kaffee. Ich setzte mein strahlendstes
    Lächeln auf. »Und? Wie waren die letzten zehn Jahre?«
    »Sehr gut«, sagte er und setzte mit gesenkter Stimme hinzu: »Aber
    auch

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