01_Der Fall Jane Eyre
kalten Winterabend in den
Weg liefen, als Sie noch ein kleines Mädchen waren?«
Natürlich wußte ich noch ganz genau, wie ich in Haworth House vor
vielen Jahren Jane Eyre betreten und Rochesters Pferd zu Fall
gebracht hatte.
»Das ist lange her.«
»Nicht für mich. Erinnern Sie sich?«
»Aber ja.«
»Ihr Eingreifen hat die Geschichte verbessert.«
»Das verstehe ich nicht.«
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»Vorher bin ich meiner Jane lediglich zufällig begegnet und habe
ein paar Worte mit ihr gewechselt. Wenn Sie das Buch vor Ihrem
Besuch gelesen hätten, würden Sie das sofort bemerkt haben. Daß das
Pferd bei dem Versuch, Ihnen auszuweichen, ausrutschte und zu Fall
kam, machte die Begegnung viel dramatischer, finden Sie nicht?«
»Aber war das denn nicht schon immer so?«
Rochester lächelte. »Ganz und gar nicht. Aber Sie waren
keineswegs unser erster Besucher. Und auch nicht der letzte, wenn
meine Vermutung stimmt.«
»Wie meinen Sie das?«
Er nahm sein Glas. »Da Sie gleich erwachen werden, Miss Next,
sage ich Ihnen jetzt lieber Lebewohl. Noch einmal: Kann ich auf Ihre
Seelenstärke rechnen, wenn es soweit ist?«
Es blieb keine Zeit für eine Antwort oder weitere Fragen. Der
bestellte Weckruf riß mich aus dem Schlaf. Ich war angezogen, das
Licht brannte, und der Fernseher lief.
- 205 -
19.
Irrwürden Joffy Next
Liebste Mum,
hier im Lager ZENSIERT haben wir viel Spaß. Das
Wetter ist gut, das Essen durchschnittlich, die
Kameradschaft 1A. Colonel ZENSIERT ist unser
Kommandeur; er ist ein prima Kerl. Ich sehe Thurs
relativ oft, & obwohl Du mich gebeten hast, auf sie
aufzupassen, kann sie das, glaube ich, ganz gut allein.
Sie hat das Damenboxtumier des Bataillons gewonnen.
Nächste Woche ziehen wir weiter nach ZENSIERT , ich
schreibe Dir, wenn es was Neues gibt.
Dein Sohn Anton
Brief von Anton Next,
geschrieben zwei Wochen vor seinem Tod
Abgesehen von einem anderen Gast hatte ich den Frühstücksraum
für mich allein. Wie das Schicksal es wollte, handelte es sich bei
diesem anderen Gast um Colonel Phelps.
»Guten Morgen, Corporal!« sagte er fröhlich, als er mich bei dem
Versuch erwischte, mich hinter meiner Owl zu verstecken.
»Colonel.«
Er setzte sich ohne zu fragen an meinen Tisch. »Bis jetzt ist mein
Auftritt hier, glaube ich, auf positive Resonanz gestoßen«, sagte er
leutselig, nahm sich eine Scheibe Toast und winkte dem Kellner mit
dem Löffel. »Hallo, Chef, mehr Kaffee. Die Diskussionsrunde findet
am Sonntag statt; Sie kommen doch?«
»Durchaus möglich«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
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»Ausgezeichnet!« rief er begeistert. »Ich muß gestehen, daß ich
dachte, Sie seien vom rechten Wege abgekommen, als wir uns im
Zeppelin begegnet sind.«
»Wo findet die Diskussion denn statt?«
»Nicht so laut, altes Mädchen. Die Wände haben Ohren. Feind hört
mit etc. pp. Ich lasse Ihnen einen Wagen schicken. Schon gesehen?«
Er zeigte mir die Titelseite des Mole . Der widmete sich, wie alle
Zeitungen, fast ausschließlich der bevorstehenden Offensive, die alle
Welt offenbar für so unausweichlich hielt, daß keine Hoffnung mehr
für einen Verhandlungsfrieden bestand. Die letzte größere Schlacht
hatte ’75 stattgefunden, und die bitteren Erinnerungen daran reichten
anscheinend nicht tief genug.
»Ich sagte: Mehr Kaffee! « donnerte Phelps. Der Kellner hatte ihm
versehentlich Tee eingeschenkt. »Dieses neue Plasmagewehr wird der
leidigen Sache ein Ende machen. Ich habe sogar daran gedacht, meine
Rede umzuschreiben und all jene, die ein neues Leben anfangen
wollen, dazu aufzurufen, sich schon jetzt ein Stück Land auf der
Halbinsel zu kaufen. Die Regierung will, wenn die Russen erst
vertrieben sind, so bald wie möglich Menschen dort ansiedeln.«
»Aber begreifen Sie denn nicht?« fragte ich wütend. »Es wird kein
Ende geben. Nicht solange wir noch Truppen auf russischem Boden
haben.«
»Wie war das?« murmelte Phelps. »Hmm? Hä?«
Er machte sich an seinem Hörgerät zu schaffen und legte den Kopf
schief wie ein Papagei. Ich machte ein unverbindliches Geräusch,
stand auf und ging.
Es war noch früh; die Sonne stand am Himmel, aber es war noch kalt.
Nachts hatte es geregnet, und die Luft war feucht. Ich klappte das
Verdeck herunter, in der Hoffnung, daß der Fahrtwind die Erinnerung
an gestern abend und meine Wut darüber, daß ich Landen nicht
vergeben konnte, wegwehen würde. Ich war sechsunddreißig, und
abgesehen von den
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