01_Der Fall Jane Eyre
Monaten mit Filbert, plusminus dem einen oder
anderen One-night-stand, war ich seit zehn Jahren allein. Noch einmal
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fünf Jahre, und ich konnte die Hoffnung begraben, mein Leben mit
jemand zu teilen.
Ich raste um die Kurven, und der Wind zerrte an meinen Haaren. Es
war so gut wie kein Verkehr, der Wagen lief wie eine Eins. Bei
Sonnenaufgang hatten sich hier und da kleinere Nebelbänke gebildet,
und ich glitt durch sie hindurch wie ein Luftschiff. Wenn ich in eines
dieser Dunstfelder hineinfuhr, ging ich vom Gas und trat das Pedal
erst wieder durch, wenn ich in die helle Morgensonne hinausschoß.
Wanborough, ein kleines Dorf, lag gut zehn Autominuten vom Hotel
Finis entfernt. Ich parkte vor dem GSG-Tempel – einer ehemaligen
Kirche der Church of England – und stellte den Motor ab. Die
ländliche Stille war eine Wohltat, nur in der Ferne tuckerten ein paar
Traktoren. Ich öffnete das Tor und betrat den schmucken kleinen
Friedhof. Ich war seit meinem Umzug nach London nicht mehr an
Antons Gedenkstein gewesen, wußte aber, daß ihn das nicht gestört
hätte. Vieles von dem, was wir am anderen gemocht hatten, war
unausgesprochen geblieben. Was den Humor, die Liebe und das
Leben anging, hatten wir uns prächtig verstanden. Als ich in
Sebastopol eintraf, um der 3rd Wessex Light Armoured Brigade
beizutreten, waren Landen und Anton schon gute Freunde. Anton war
Captain und der Brigade als Funker zugeteilt; Landen war Lieutenant.
Anton machte uns miteinander bekannt, und allen diesbezüglichen
Befehlen zum Trotz verliebte ich mich in Landen, und er sich in mich.
Ich kam mir vor wie ein Schulmädchen, wenn ich durch das Feldlager
zu einem verbotenen Rendezvous schlich. Anfangs erschien mir der
Krimkrieg wie eine nicht enden wollende Party.
Die Leichen der Gefallenen wurden nicht zurück in die Heimat
gebracht. Eine politische Grundsatzentscheidung. Doch viele hatten
private Gedenksteine. Antons lag am Ende der Reihe, unter den
schützenden Ästen einer alten Eibe, zwischen zwei anderen KrimGedenksteinen. Das Grabmal wirkte gepflegt; offenbar wurde
regelmäßig gejätet, und vor noch nicht allzu langer Zeit hatte jemand
frische Blumen gebracht. Ich stellte mich vor die unscheinbare
Kalksteintafel und las die Inschrift. Schlicht und prägnant.
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Name, Rang und das Datum des Angriffs. Sechzehnhundert Meilen
entfernt, auf der Halbinsel, markierte ein ganz ähnlicher Stein Antons
tatsächliches Grab. Andere hatten es nicht so gut getroffen. Vierzehn
meiner damaligen Kameraden wurden nach wie vor »vermißt«,
Militärjargon für »nicht genügend Einzelteile zum Identifizieren«.
Plötzlich schlug mir jemand auf den Hinterkopf. Nicht sehr fest,
trotzdem schrak ich zusammen. Hinter mir stand der GSG-Priester
und grinste mich blöde an.
»Na, du Pflaume?« bellte er.
»Hallo, Joffy«, erwiderte ich leicht irritiert. »Soll ich dir noch mal
die Nase brechen?«
»Ich bin jetzt Pope, Schwesterherz!« rief er. »Und einen Diener des
Herrn verprügelt man nicht.«
Ich starrte ihn einen Moment lang wortlos an. »Wenn ich dich nicht
verprügeln darf«, fragte ich schließlich, »was soll ich dann mit dir
machen?«
»Wir von der GSG sind zum Beispiel ganz groß im Umarmen,
Schwesterherz.«
Und so umarmten wir uns, vor Antons Gedenkstein, ich und mein
bescheuerter Bruder Joffy, den ich mein Lebtag nicht umarmt hatte.
»Gibt’s was Neues von Fettarsch und Superhirn?«
»Falls du Mycroft und Polly meinst, muß ich dich leider
enttäuschen. Nein.«
»Immer schön locker bleiben, Schwesterherz. Mycroft ist nun mal
ein Superhirn, und Polly, also, hat sie vielleicht keinen Fettarsch?«
»Trotzdem nein. Aber Mum und sie haben tatsächlich ein bißchen
zugenommen. Ist mir auch aufgefallen.«
»Das kannst du laut sagen. Im Grunde müßte Tesco nur für die
beiden einen extra Supermarkt eröffnen.«
»Ist es eigentlich die GSG, die dich zu solchen plumpen Attacken
ermutigt?« fragte ich.
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Joffy zuckte die Achseln. »Teils, teils«, sagte er. »Das ist ja gerade
das Schöne an der Globalen Standard-Gottheit – sie ist für alles offen.
Außerdem bist du eine Verwandte, und das zählt nicht.«
Ich ließ den Blick über das frisch renovierte Gebäude und den
gepflegten Friedhofschweifen. »Wie geht’s denn so?«
»Sehr gut, danke. Guter Querschnitt von Religionen und sogar ein
paar Neandertaler, was ein schöner Missions-Erfolg ist. Die
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