01 - Der Geist, der mich liebte
dann auf die Kampfspuren im Haus und Adrians Leichnam zu sprechen zu kommen. Ich saß in der Falle.
»Cedars Creek hat Ihnen bisher nicht viel Glück gebracht.«
Blinzelnd starrte ich ihn an und wartete darauf, dass er fortfuhr und mich endlich mit seinen Verdächtigungen konfrontierte. Als er nichts weiter sagte, glaubte ich, vor Anspannung zu platzen. »Wie meinen Sie das?«, fragte ich vorsichtig.
»Der Tod Ihrer Tante hat sie hergeführt. Das ist an sich schon wenig erfreulich. Kurz darauf werden Sie von einem Landstreicher überfallen, dann stirbt Ms Adams und zu allem Überfluss werden Sie ein weiteres Mal überfallen. Das meine ich mit >wenig Glück<.«
Jetzt kam es! Gleich würde er mir erzählen, dass mein Name seit meiner Ankunft öfter in seinen Unterlagen auftauchte als der jedes anderen Einwohners. Damit hätte er nicht einmal Unrecht. Drei Verbrechen und immer war ich entweder selbst betroffen oder aber zumindest eine Freundin des Opfers. »Ich hätte nie gedacht, dass eine friedliche Kleinstadt derart gefährlich sein könnte.«
»Dann habe ich gute Nachrichten für Sie. Wilbur Perkins aus dem Heimwerkermarkt sagte mir, ich solle Ihnen ausrichten, er hätte einen Interessenten, der eventuell bereit wäre, Ihr Haus zu kaufen.«
»Das ist großartig«, sagte ich, obwohl es mir im Augenblick ziemlich egal war. Warum fragte er nicht endlich nach Adrian? Wollte er mich auf die Folter spannen? Mich mürbemachen, bis ich ihm freiwillig alles sagte, was er wissen wollte? Und das, lange bevor er überhaupt danach fragte?
Sheriff Travis verzog keine Miene. In seinen Augen lag eine Freundlichkeit, die mich nur umso misstrauischer machte. Der Drang herauszufinden, wie viel er wusste, wurde immer größer. Dennoch hielt ich den Mund. Ich fragte ihn weder wie weit seine Suche nach Tess' Mörder vorangeschritten war noch ob er Nachforschungen wegen des Überfalls auf mich angestellt oder zufällig eine Leiche in Adrians Haus gefunden hatte. Auch er sagte nichts dazu. Stattdessen wollte er wissen, wie weit ich mit meinen Renovierungen war. Er gab mir sogar ein paar Tipps und empfahl mir einen Makler für den späteren Verkauf, falls es mit Mr Perkins' Interessenten doch nicht klappen sollte. Eine Weile plauderten wir über unverfängliche Dinge, bis ich mich zu fragen begann, ob er womöglich wirklich nichts von Adrian Crowleys Tod wusste. War die Alarmanlage ausgegangen, ehe der Sheriff sie bemerkt hatte ? Falls es eine direkte Verbindung zwischen der Alarmanlage und dem Büro des Sheriffs gab, hatte Adrian sie vermutlich nicht aktiviert. Ganz sicher hatte er das nicht getan! Er hatte den Alarm eingeschaltet, damit ihm nicht entging, falls Nicholas versuchte, ins Haus zu gelangen. Die Aufmerksamkeit des Sheriffs wollte er damit ganz sicher nicht auf sich ziehen. Darauf hätte ich auch früher kommen können! Erleichtert sank ich in meinen Kissen zusammen.
Der Sheriff stand auf. »Ich sollte jetzt besser gehen. Sie sind sicher müde.«
Ich nickte. »Vielen Dank, dass Sie hier waren.« Danke,
dass Sie mich von meiner Angst befreit haben, in den nächsten Tagen wegen Mordverdachts festgenommen und verhört zu werden.
Auf dem Weg zur Tür blieb er noch einmal stehen. »Geben Sie auf sich acht, Ms Mitchell. Ich kann nicht jedes Mal da sein, um Sie wieder zusammenzuflicken.«
Jedes Mal? Da erst wurde mir bewusst, dass er mich ja schon verarztet hatte, als der Landstreicher mir eines übergezogen hatte. Ich wollte noch etwas erwidern, doch er war schon gegangen. Mein Blick fiel auf das Buch, das er mir mitgebracht hatte. Neugierig griff ich nach dem Päckchen und wickelte es aus. Es war ein Krimi. Das Cover war nichtssagend, doch der Titel ließ mich innehalten: Wer die Wahrheit kennt.
Nach Einbruch der Dunkelheit sprach ich mit Nicholas über meine Befürchtungen. Er hielt es für Zufall und war der Meinung, es gebe unzählige Bücher, deren Titel auf meine Situation passten. Das klang vernünftig. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass er vermutlich Recht hatte. Der Sheriff hatte keinen Grund, mich zu verdächtigen.
Nachdem ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, mein Misstrauen aufzugeben, musste ich daran denken, was er gesagt hatte: Wilbur Perkins hatte womöglich einen Käufer für mein Haus. Die Renovierung würde ich nun wohl doch einer Firma überlassen müssen. Ich wusste ja
nicht einmal genau, wie lange ich noch im Krankenhaus bleiben musste und
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