01 - Der Geist, der mich liebte
wiederholte ich. Das war nun wirklich kein Wort, das zu Tess passte. <
»So steht es in den Chroniken. Willst du jetzt hören, wie es weitergeht, oder nicht?«
Ich nickte. Natürlich wollte ich das.
»Die Schwestern rochen komisch«, wiederholte sie. »Das und die Tatsache, dass sie einzelgängerische alte Jungfern waren, genügte, um die Hysterie in der Stadt zu schüren. Warum saßen sie in der Kirche immer ganz hinten? Weshalb beteiligten sie sich nicht am Dorfgeschehen? Wieso wollte nicht einmal ihre eigene Schwester etwas mit ihnen zu tun haben? Konnten die beiden womöglich Buhlen des Teufels sein, die nur in die Kirche gingen, um sozusagen den Feind im Auge zu behalten ?
Die Menschen versammelten sich im Gemeindehaus und sprachen öffentlich darüber, was mit den Baker-Schwestern nicht stimmen mochte. Als das Ganze damals geschah, fanden ohnehin gerade überall im Land Hexenprozesse statt. Wen wundert es da, dass es nicht lange dauerte, bis jemand das Wort Hexe fallen ließ?
Auf eine Hexenprobe haben sie verzichtet. Der Schwefelgeruch war ihnen Beweis genug, dass die Schwestern mit dem Satan im Bunde sein mussten. Noch in derselben Versammlung erklärte man die Baker-Schwestern der Hexerei für schuldig.«
Natürlich wusste ich, dass es damals in vielen Orten Hexenverfolgungen und auch Verbrennungen gegeben hatte. Dennoch erstaunte es mich, dass selbst so ein beschaulicher Ort wie Cedars Creek eine dunkle Vergangenheit hatte. Dass sie die Hexen weder einem öffentlichen Prozess noch einer Hexenprobe unterzogen hatten, wertete ich als Zeichen dafür, wie viel Angst die Menschen vor den beiden Frauen gehabt haben mussten. »Haben sie die Schwestern auf dem Scheiterhaufen verbrannt?«
Tess schüttelte den Kopf. »Noch in derselben Nacht gleich nach der Versammlung, zogen die Männer los, den Berg hinauf, zum Haus. Bewaffnet mit Öllampen, brennenden Fackeln und Werkzeug. Die Baker-Schwestern müssen längst tief geschlafen haben. Nirgendwo im Haus war Licht zu sehen. In den Chroniken steht, dass es totenstill war. Nur das Donnern des Hammers war zu hören, als die Dörfler Türen und Fenster mit Brettern vernagelten. Sobald alle Ausgänge verschlossen waren, brannten sie das Haus nieder. Prudence und Harmony erwachten und versuchten nach draußen zu gelangen. Sie schlugen gegen die vernagelten Türen und Fenster, doch es gab kein Entkommen mehr. Ihre gellenden Schreie erfüllten die Luft, bis bald nur noch das Knistern der Flammen zu vernehmen war.
Einige Tage später kam der Reverend zum Haus hinauf, um die Ruinen zu segnen und so endgültig von der unheiligen Gegenwart der Schwestern zu reinigen. Danach wagte sich lange Zeit niemand mehr auf den Hügel.«
»Bis Adrians Großvater kam und dort oben sein Haus gebaut hat«, fügte ich hinzu. Die Geschichte von Prudence und Harmony Baker war tragisch, doch kein Einzelfall für die damalige Zeit. »Zumindest verstehe ich jetzt, warum gerade die alten Menschen das Haus auf dem Hügel ein wenig gruselig finden.«
»Nein, verstehst du nicht«, widersprach Tess. »Jedenfalls noch nicht. Der Tod der Baker-Schwestern war nicht das Ende.«
»Nicht? Willst du mir sagen, dass sie zurückgekommen sind, um sich zu rächen?« Zombies! Ich wusste es!
»Schlimmer.«
Was konnte schlimmer sein als Zombies?
»Etwa ein Jahr, nachdem die Männer das Haus niedergebrannt hatten, spielten ein paar Kinder in den Hügeln. Völlig panisch kehrten sie an jenem Tag ins Dorf zurück und behaupteten, die Hexen seien noch am Leben. Sie konnten sie angeblich riechen!
Unter der Führung des Reverends brach eine Horde bewaffneter Männer auf, um dem Treiben der Hexen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Sie suchten die Ruinen nach Hinweisen ab, ohne etwas zu finden. Erst auf der Rückseite des Hügels stießen sie auf den verräterischen Geruch des Satans. Sie folgten ihm. Doch statt der Hexen fanden sie eine Quelle, die dort dem Fels entsprang und darunter ein kleines, natürliches Becken füllte. Schwefelwasser.«
Ungläubig starrte ich Tess an. »Soll das heißen ...«
»Der Geruch, der die Baker-Schwestern umgab, hatte nichts mit dem Teufel zu tun, sondern nur damit, dass sie wohl regelmäßig in der Quelle gebadet hatten.«
»Das ist übel«, kommentierte ich.
»Aber es kommt noch schlimmer.«
Ein aufgebrachter Mob hatte unschuldige Menschen ermordet - was konnte jetzt noch kommen?
Tess trank noch einen Schluck von ihrer Cola, dann setzte sie ihre Geschichte fort. »Von
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