01 - Der Geist, der mich liebte
Übersinnliches, dass sie natürlich davon überzeugt sein würde, es gehe in meinem Haus nicht mit rechten Dingen zu. Plötzlich kam ich mir albern vor. Ein Friedhof im Garten (na ja, nicht direkt darin, aber doch sehr nah dran) und ein altes Hexenmärchen, und schon war ich überzeugt, dass es in meinem Haus spuken musste. Dafür gab es eine Bezeichnung: leicht beeinflussbar. Genau! Das war ich. Okay,
sonst traf das eigentlich nicht auf mich zu. Sue behauptete sogar, ich könne ausgesprochen stur auf meiner Meinung beharren. Aber das hier war etwas anderes. Es musste einfach so sein. Ein Psychologe hätte das sicher mit der fremden Umgebung, Heimweh oder einer verdrehten Kindheit erklären können. Was weiß ich. Irgendeinen Grund musste es ja geben!
»Sam? Hörst du mir eigentlich zu?«
Ich sah erschrocken auf. »Was?«
»Sind deine Gedanken bei Adrian oder warum antwortest du mir nicht mehr?«
»Ja, entschuldige. Ich war wohl ein wenig abgelenkt.« Sie in dem Glauben zu lassen, ich träumte von Adrian, war einfacher als ihr zu erklären, was gerade wirklich in mir vorging.
Tess grinste. »Er hat dich wohl auch an der Angel. Jedenfalls wollte ich gerade wissen, ob deine Tante wirklich kein Wort über die Hexen verloren hat?«
»Tante Fiona war Lehrerin. Sie glaubte an die Wissenschaft, nicht an Hexerei«, erklärte ich noch einmal. »Ich kann mich nicht mal erinnern, dass sie mir je ein Märchen oder eine Geschichte erzählte hätte, als ich noch klein war.«
Tess murmelte irgendwas von wegen Verdrängung. Dann platzte sie plötzlich heraus: »Deine Tante ist eine direkte Nachfahrin Sarah Larsons, der dritten Baker-Schwester! In ihren - und deinen - Adern fließt das Blut der Bakers! Deshalb hätte sie die Geschichte erzählen sollen!«
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. Davon hatte Tante
Fiona nie etwas erwähnt. Mir wurde auch schnell klar warum das so war. »Mein Familienname ist Mitchell, nicht Larson.«
»Weil deine Familie von einer von Sarah Larsons Töchtern abstammt. Ist doch logisch, dass Töchter heiraten und den Namen ihres Mannes annehmen! Aber wenn du mir nicht glaubst, können wir ja einfach in den Geburtsregistern nachsehen.«
»Lass mich raten, die liegen auch in einem Keller in der Bibliothek.«
Tess blickte ein wenig schuldbewusst drein. »Ich gebe ja zu, dass mich die ganzen Unterlagen nichts angehen. Aber nachdem ich das Archiv mit den Hexenbüchern gefunden habe, war ich neugierig und hab ein wenig nachgeforscht. Dabei hab ich auch Sarah Larsons Stammbaum weiterverfolgt. Ihre Linie führt direkt zu deiner Tante Fiona. Und damit auch zu dir.«
»Und wenn schon. Sarah war ja nicht einmal eine Hexe. Du hast selbst gesagt, dass sie nichts mit ihren Schwestern zu tun haben wollte.« Tatsächlich war es mir ziemlich egal, ob ich mit dieser Sarah nun entfernt verwandt war oder nicht. Das Einzige, was mich wurmte, war, dass Tante Fiona mir eine derart spannende Geschichte vorenthalten hatte.
»Trotzdem ist es doch aufregend, oder?« »Ja«, gab ich widerwillig zu. Tess nickte zufrieden.
Eine Weile saßen wir uns schweigend gegenüber. Wieder fragte ich mich, ob ich ihr von dem erzählen sollte, was
mich wirklich beschäftigte. Auch dieses Mal ließ ich es lieber bleiben. Nachdem Tess mir meine Verwandtschaft zu den Hexen eröffnet hatte, geriet unsere Unterhaltung ein wenig ins Stocken. Nicht etwa, weil ich mir darüber Sorgen machte, sondern weil meine Gedanken immer wieder zu Tante Fionas Haus zurückwanderten. Ich ertappte mich bei der Frage, ob die Kälte im Haus etwas mit den Hexen zu tun haben könnte! Jedenfalls war ich so geistesabwesend, dass ich auf Tess' Fragen nur noch unzusammenhängende Antworten gab.
»Was beschäftigt dich?«, fragte Tess, als ich wohl wieder mal eine falsche Antwort gegeben hatte.
»Die Geschichte spukt mir im Kopf herum«, behauptete ich. »Hexen, die dann scheinbar doch keine sind, was die unglücklichen Männer in den Selbstmord treibt. Und Jahrhunderte später stellt sich dann heraus, dass vielleicht doch was dran war. Unheimlich. Wie kann Adrian in diesem Haus leben?«
»Du hast doch selbst gesagt, er will lieber nichts über die Geschichte der Hexen wissen. Wahrscheinlich liegt es daran. Das Glück des Ahnungslosen.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr über dem Eingang. Es war schon fast drei. »Wenn ich noch was im Haus schaffen will, sollte ich jetzt gehen«, sagte ich und stand auf.
Tess packte den Müll zusammen und stopfte ihn in
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