01 - Der Geist, der mich liebte
seine Anwesenheit sonst wie hätte bemerken können. Die Leidtragende war ich. Ich hörte das Gebrüll und ich sah, wie Nicholas mit zwei Sätzen die Treppen überwand und sich auf Adrian stürzte. Natürlich ging sein Angriff durch Adrian hindurch. Dennoch versuchte er es weiter. Währenddessen wandte sich der ahnungslose Adrian in aller Ruhe den Fotos zu, die dort an der Wand hingen.
»Sind Sie das?« Adrian deutete auf das Foto aus Disney World, während Nicholas etwas schrie, was sich wie »verdammter Bastard« anhörte, und vergeblich versuchte, ihn zu fassen zu bekommen.
Ich nickte hastig. »Warum gehen Sie nicht schon zum Wagen ?«, stieß ich hervor und zuckte zusammen, als Nicholas nach Adrian schlug. Ich glaubte zu hören, wie die Luft unter seinem Schlag zischte, doch seine Faust ging wieder geradewegs durch Adrian hindurch. Ich packte Adrian am Arm und schob ihn zur Tür. »Ich hole nur meine Jacke. Bin gleich da.« Kaum war Adrian draußen, warf ich die Tür hinter ihm zu und fuhr zu Nicholas herum. Er hatte sich immer noch nicht beruhigt. Schnaubend vor Zorn stand er da, doch immerhin war er Adrian nicht gefolgt.
»Bist du irre?«, fuhr ich ihn an und griff nach meiner Jacke. Um nichts auf der Welt wollte ich hierbleiben, solange Nicholas sich so aufführte.
Nicholas kam auf mich zu. Ich wich vor ihm zurück. »Sam! Bleib hier!«
Nicht solange er mir derart Angst machte. Ich wollte zur Tür und spürte, wie die Kälte mir folgte. »Du darfst nicht mit ihm gehen! Das ist mein Bruder!«
Ich erstarrte. Ganz langsam drehte ich mich zu ihm herum. »Weißt du überhaupt, was du da redest?« Konnten Geister wahnsinnig werden ? Mir war nur klar, dass ich hier rausmusste, ehe ich ebenfalls durchdrehte. Ich wandte mich wieder der Tür zu. Nur noch zwei Schritte nach draußen. Eisige Kälte schnitt durch meinen Körper, als Nicholas durch mich hindurchglitt und sich mir in den Weg stellte.
Was wollte er tun? Verhindern, dass ich nach dem Türknauf griff? Er konnte mich nicht aufhalten. Er konnte mich ja nicht einmal berühren! Plötzlich sprang er vor, geradewegs auf mich zu. Ich schrie. Das war mein Fehler. Nicholas atmete tief ein, nahm meinen Atem in sich auf, und einen Moment später spürte ich eine leichte Berührung an meinem Arm. Dann packte er mich und zog mich zu sich heran. Ich versuchte mich zu befreien, doch er war zu stark. Dieses Mal war es kein Kuss, als er seine Lippen auf meine presste.
Begierig nahm er meinen Atem in sich auf. Ich riss die Augen auf und kämpfte gegen ihn an, doch während sein Griff immer fester wurde, ließen meine Kräfte rasch nach. Alles, was ich denken konnte, war, wie sehr ich mich doch in ihm getäuscht hatte. Dieser Mann war gefährlich! Und jetzt nahm er meinen Atem. Er würde mich umbringen! Je mehr er nahm, desto schwächer fühlte ich mich. Meine Knie wurden weich und ich wäre gestürzt, wenn er mich nicht so unerbittlich festgehalten hätte. Ich erhaschte einen Blick in seine Augen, sah die Gier nach Leben darin, und plötzlich erinnerte ich mich daran, was er gesagt hatte: Ich müsste töten, um wieder leben zu können.
Ich fühlte mich schwach. Dunkle Flecken tanzten vor meinen Augen, Geräusche drangen nur noch gedämpft zu mir durch, als hätte mir jemand Watte in die Ohren gestopft. Seine Züge begannen zu verschwimmen. Ein Stöhnen kroch über meine Lippen, als ich kraftlos versuchte, ihn von mir zu schieben. Dann gab er mich so abrupt frei, dass ich fast auf den Boden geknallt wäre.
»Verzeih mir«, keuchte er und wich einen Schritt zurück.
Schwer atmend starrte ich ihn an, dann riss ich die Tür auf und lief stolpernd nach draußen. Fort von seiner kühlen Berührung hinaus in die Wärme des Abends. Ich rannte quer über den Rasen zu Adrians Wagen, der vor dem Haus am Straßenrand stand. Hinter mir brüllte Nicholas etwas. Seine Worte gingen im Rauschen meiner Panik unter. Obwohl ich fürchtete, er würde mir folgen, sah ich mich nicht um. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, nicht über meine eigenen Beine zu stolpern. Auf der Straße angekommen, umrundete ich den Jeep, riss die Beifahrertür auf und sprang in den Wagen.
»Fahren wir!«, rief ich atemlos. »Schnell!« Meine Augen zuckten zur Haustür, doch Nicholas war nicht zu sehen. Wo zum Teufel war er? Er hatte die ganze Zeit über versucht, Adrian anzugreifen, und jetzt, da er materiell genug war, dass er ihm etwas anhaben konnte, war er nirgendwo zu sehen!
Adrian ließ den Wagen
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