01 - Der Ring der Nibelungen
außer Atem, und er stolperte mehr, als dass er folgte. »Was soll das heißen? Ist es Brunhilde? Verweigert sie Gunther das Duell?«
Siegfried lachte, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. »Verweigern? Wenn es nur so wäre! Im Alter wird man weise, hat mir Regin immer versprochen. Bei den Weibern bin ich mir da nicht so sicher!«
Sie kamen zum Portal, dessen Flügel von Soldaten eilfertig geöffnet wurden. Nun hielt Siegfried doch inne und drehte sich um zu Gernot, während eine Windböe mit seinen Haaren spielte. »Mein Prinz, ich muss zum Schiff, um wichtiges Gerät zu holen. Doch ich will es allein tun. Und darum seid mir nicht böse, wenn ich Euch bitte, bis dahin Eurem Bruder Gesellschaft zu leisten.«
Er wartete nicht auf die Antwort, sondern sprang mit ausladenden Schritten die Treppe zum Strand hinunter. Seine Gestalt wurde schnell kleiner, und schließlich wandte sich Gernot fröstelnd wieder um. Er dachte darüber nach, was Siegfrieds Worte wohl bedeuten mochten. Und dass er seiner Schwester davon berichten musste, wie er es versprochen hatte. Sein Blick glitt an den mächtigen schwarzen Mauern der Burg empor, die nahtlos in den Berg zu tauchen schienen. Und weiter oben wich das Schwarz des Berges dem Weiß des Schnees. Der Prinz fragte sich, warum die Dinge des Lebens nicht so einfach waren wie Schwarz und Weiß.
Schon bei Sonnenaufgang polterten Brunhildes Soldaten an die Türen der Männer von Burgund, um sie zum Abmarsch aufzufordern. Gunther war froh, am Abend zuvor nicht zu viel Wein getrunken zu haben, denn er war nicht so töricht, Brunhilde zu unterschätzen. Aber ihre Unwilligkeit, ihn als ebenbürtigen Gegner zu sehen, gab ihm keine Ruhe und er hatte nur wenig geschlafen. Kaltes klares Wasser trieb die Müdigkeit aus seinen Augen.
Das Fest zu seinen Ehren war ein Desaster gewesen. Kaum zehn Worte waren gesprochen worden, und nur der Hunger nach der langen Reise hatte die Burgunder befähigt, Fleisch und Brot herunterzuschlingen. Es schien das Anliegen der Königin zu sein, keine Herzlichkeit in die Burg zu lassen.
Und dann diese Blicke. Es war Gunther nicht entgangen, dass Siegfried Mittelpunkt der Spannungen gewesen war. Gernot hatte ihn über den Becherrand im Auge behalten, und Hagen schien immer etwas zu planen, wenn sein Auge auf den Helden von Burgund fiel. Was die dunklen Blicke von Brunhilde selbst bedeuteten, vermochte er nicht zu sagen. Manchmal meinte er, eine wütende Trauer zu erkennen, dann wieder kalte Ablehnung.
Und alles wegen Siegfried. Keinen Augenblick vergaß Gunther, wie sehr er in der Schuld des jungen Mannes stand, der als Schmied an seinen Hof gekommen war. Und zu seinem Verdruss konnte er es auch nicht vergessen. Alles, was geschah, geschah »dank Siegfried«. Es war nicht gut, im Schatten eines Mannes zu stehen, der ohne Fehl und Tadel schien. War Gunther nur König »dank Siegfried«? Dachte so sein Volk? Er zwang sich, derlei düstere Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Wenn er Brunhilde besiegen wollte, musste er einen kühlen Kopf bewahren. Zwar hegte er keinen Zweifel, dass der Kampf zu seinen Gunsten entschieden werden würde, aber der Sieg musste auch stolz und würdevoll sein. Eines Königs wert.
Hagen, Gernot und Siegfried erwarteten Gunther bereits in der großen Eingangshalle, und ebenso der Ratgeber Eolind.
»Wo ist Brunhilde?«, fragte der König von Burgund und blickte sich um.
Eolind nickte respektvoll. »Die Königin erwartet Euch auf dem Feld von Feuer und Eis.«
Diener brachten schwere Umhänge, die aus mehreren Fellen genäht waren, und Brunhildes Vertrauter warf sich einen davon über. »Ihr solltet Euch warm anziehen. Das Feld ist nicht einer der angenehmeren Orte Islands.«
Die Burgunder sahen sich fragend an. Welches Spiel wurde hier getrieben? Gunther bemerkte, dass Siegfried einen kleinen Beutel umgehängt hatte.
Die kleine Gruppe, flankiert von vielleicht zwanzig Soldaten, wurde aus der Burg auf einen kleinen Pfad geführt, der westlich steil am Felsen verlief. Im Gegensatz zur großen Treppe war er grob gehauen und kaum so breit, dass zwei Männer nebeneinander gehen konnten. So wurde aus dem Pulk eine Schlange, die sich für zwei Stunden den Berg hinaufwand, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Die Burgunder begannen schnell, hechelnd zu atmen, ihre Lungen pumpten die dünne Luft mühsamer als die der Isländer. Trotz der warmen Kleider biss die gnadenlose Kälte schnell in die Glieder und lähmte sie.
Irgendwann lief der
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