01 - Der Ring der Nibelungen
Brunhilde. »Ich werde am Bug des ersten Schiffes stehen, sodass jeder die Flotte als die unsere erkennt.«
Er schwankte leicht, wurde bleich und stützte sich auf der Tischplatte ab.
»Ihr solltet ausruhen«, empfahl Brunhilde ohne Mitgefühl. »Die Vorbereitung der Reise bedarf keines Königs.«
Gunther nickte und verließ den Raum.
»Es wäre sicher ratsam, dem König zwei Wochen zu lassen, bis seine Wunden so weit verheilt sind, dass er auch der rauen See standhält«, schlug Eolind vor, als Gunther außer Hörweite war.
»Die Reiche können nicht warten«, beschied ihn Hagen. »Das Bündnis zwischen Burgund und Island mit dem Reich Xanten und Dänemark muss besiegelt werden, und dazu braucht es einen König auf seinem Thron.«
»Island wird dem kein Hindernis sein«, beeilte sich Eolind zu versichern. »Bis die Statthalter aus Burgund eintreffen, werde ich den Hof im Sinne Gunthers leiten.«
Hagen nickte. »Sobald die Hochzeitsglocken verklungen und die Paare vermählt sind, wird die Insel in den Bund aufgenommen.«
Es war wie ein entfernter, aber doch störender Ton, den Brunhilde da gehört hatte. Beiläufig, aber dadurch seine Wichtigkeit nicht verhehlend. Ein Spott über eine Unwissenheit, eine lachende Antwort auf eine ungestellte Frage. Sie kniff kurz die Augen zusammen, versuchte, nicht darauf einzugehen, musste es aber doch. »Ihr sprecht von Paaren, Hagen - wer außer Gunther und mir wird in Worms den Bund der Ehe schließen?«
Hagen hatte geahnt, dass Brunhilde nur wusste, was für sie zu wissen nützlich war. Es passte zur Feigheit Siegfrieds, der Königin gegenüber nicht aufrichtig gewesen zu sein. Es war die Gelegenheit, Schmerz und Missgunst zwischen beiden zu säen, und damit auch zwischen Siegfried und Gunther. Er sah Brunhilde so überrascht an, wie es ihm möglich war. »Siegfried natürlich und Kriemhild, Gunthers liebliche Schwester. Sie ist Siegfrieds Preis dafür, dass Gunther Eure Hand gewann. Nur ihretwegen reitet der Xantener König noch an Burgunds Seite.«
Weil sie bereits wusste, dass Siegfried ihre Liebe verschmähte, gelang es Brunhilde, ihre Fassung zu bewahren. Ihre Lippen zitterten leicht, und jeder Muskel ihres Körpers spannte sich, aber ihre Augen blieben ruhig und trocken. »Dann wird Siegfried Gunthers Schwager werden - und meine Schwägerin seine Braut?«
Hagen nickte. »Durch diese Doppelhochzeit wird der Bund zwischen den Reichen besiegelt und mit Kindern in die Zukunft getragen.«
Eolind kannte Brunhilde lange genug, um ihr Entsetzen zu spüren. Mit zu lauter Stimme unterbrach er das Gespräch: »Guter Hagen, lasst uns morgen weiterplanen. Auch die Königin muss ihre Kräfte für die Reise sammeln.«
Der Ratgeber von Burgund senkte ehrfürchtig den Kopf und verließ den Saal.
Eolind bemerkte, wie Brunhildes Fingernägel brachen, als sie die Hände gegen das Holz des Tisches presste. »Meine Königin, was erzürnt euch so?«
»Der Geruch von Verrat macht mir Übelkeit«, flüsterte Brunhilde. »Doch es ist nichts, was noch von Bedeutung wäre.«
12
Hagen und die Hand des Schicksals
Gernot war froh, endlich von Bord gehen zu können, als die Schiffe in Worms anlegten. Das ständige Geschaukel hatte seinen Magen empfindlich gereizt und damit seiner Stimmung angepasst.
Sicher, nur wohlfeile Worte waren gesprochen worden, und kein rauer Ton war über die Lippen Brunhildes, Siegfrieds oder Gunthers gekommen. Höfischer Respekt hatte die Spannungen verdrängt, die ein Reich hätten ernähren können, wenn sie aus Brotteig gewesen wären. Aber Gernot hatte Blicke gesehen, die nicht zu deuten waren, und ein Verhalten, das kaum für künftigen Frieden sprach. Bei jeder Rast hatte Brunhilde sich aufgemacht, um auf der Jagd die angestaute Kraft zu nutzen. Weder Siegfried noch Gunther durften sie begleiten, und was sie an Beute herbeischleppte, war mit einer Wildheit erlegt, die auf Mordlust schließen ließ.
Gunther hatte jede Möglichkeit genutzt, mit Siegfried freundlich zu plaudern, doch eine Wand war zwischen ihnen, unsichtbar und dennoch greifbar.
Wann immer Gernot versucht hatte, mit seinem Bruder oder dem Freund zu reden, war er mit Ausflüchten abgespeist worden. Er hatte das Gefühl, seine Begleiter auf unsicherem Boden zu sehen, mühsam das Gleichgewicht haltend, unfähig, die Hand eines anderen als Stütze zu ergreifen.
Was Gernot nun brauchte, was das liebe Gesicht und die zarte Hand seiner Elsa. Er löste sich schnell aus
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