01 - Ekstase der Liebe
Bemerkung. »Bitte erwähne nie wieder dieses vulgäre Porträt, das
Sissy in Auftrag gegeben hat! Die arme Lady Commonweal war wochenlang außer
sich. Kleopatra, also wirklich! Was Kleider betrifft, hat Sissy keinen
Geschmack.«
Chloe
dachte daran, ihre Schulfreundin zu verteidigen, und entschied sich dann zu
schweigen. Sissy hatte einen schrecklichen Geschmack, was Kleider betraf, das
konnte sie nicht leugnen. Chloe glaubte, dass sie einen guten Geschmack hätte,
wenn ihre Mutter ihr erlauben würde, ein nach der aktuellen Mode geschneidertes
Kleid auszusuchen. Aber jetzt, da Baron Holland seine Werbung aufgegeben hatte,
sagte Mrs van Stork ziemlich offen, dass sie keinen Grund sah, eine riesige
Summe Geld für Chloes Ausstattung auszugeben. Wenn sie einen anderen Kavalier
fand, würden sie weitersehen. Aber Chloe dachte voller Qual, dass sie keinen
anderen Galan wollte. Sie wollte Will, Will ganz allein. Aber Will war nicht
nur aus ihrem Leben verschwunden, sie hatte ihn seit mindestens einem Monat
nicht im Theater gesehen - nicht einmal von weitem. Sie würde über ihn
hinwegkommen, versprach sie sich. Sie würde aufhören, sich jeden Tag in den
Schlaf zu weinen.
Auf
Charlottes Porträt sah sie gewiss nicht wie ein weinerliches junges Ding aus.
Charlotte hatte Chloe in Dreiviertelansicht gemalt. Gegen den dunklen
Hintergrund des Kleides und der Couch sah sie mit ihrer porzellanweißen Haut
und den dunkelblauen Augen wie eine überirdische Schönheit aus, es verlieh ihr
unzweifelhaft ein gelassenes Aussehen.
»Normalerweise
fühle ich mich nicht so«, sagte Chloe ziemlich kleinlaut.
Charlotte
zog sie zum Diwan. »Jetzt wo das Porträt fertig ist, möchte ich wissen, was los
ist«, meinte sie. »Wo ist Will? Ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen!«
»Ich
weiß nicht«, erwiderte Chloe mit kläglicher Stimme. »Ich habe keine Ahnung.«
»Hm«,
sagte Charlotte. »Es ist nicht Wills Art, den ersten Teil der Saison zu
verpassen.«
»Ich
weiß«, erwiderte Chloe auf ihre unausgesprochene Bemerkung. »Er muss eine
reiche Braut finden, nicht wahr?«
Chloes
offensichtlicher Kummer rührte Charlotte. Sie überhörte die Frage einfach.
»Hast
du ihn abgewiesen?«, fragte Charlotte.
Chloe
senkte den Blick und starrte auf ihre Hände, mit denen sie die Falten ihres
schweren Rockes immer wieder neu faltete. »Nein«, antwortete sie halb
flüsternd. »Er hat mich nicht gefragt.«
»Glaubst
du, dein Vater könnte ihn gewarnt haben? Er muss nämlich wirklich ein Vermögen
heiraten, du armes Ding. Nach allem, was ich gehört habe, könnte er sein Gut
verlieren, weil sein Vater süchtig nach Rennpferden war. Es ist eine Schande.«
Chloe
schüttelte den Kopf »Das glaube ich nicht. Mein Vater mochte ihn sogar -
er hat gesagt, dass Will, Baron Holland, mehr vom Handel verstünde als der
durchschnittliche, leichtsinnige Adlige - oh, Charlotte, es tut mir Leid.
Ich wollte dich - oder irgend jemand anderen - nicht beleidigen.«
Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Die Wahrheit ist, dass der Baron wohl
entschieden hat, dass er die Sache nicht zu Ende bringen konnte. Es ist eine
Sache, ein Vermögen zu heiraten, aber es ist etwas anderes, sich vorzustellen,
einen Menschen zu heiraten, besonders die Tochter eines Kaufmanns. Ich glaube, dass
er sich einfach nicht überwinden konnte, mir einen Antrag zu machen, und
deshalb aufs Land gefahren ist.«
Charlotte
umarmte sie. Dann stand sie auf und drehte ihr Porträt um, so dass es zur Couch
sah.
»Chloe
van Stork«, sagte sie entschlossen. »Sieh dir das Bild an.« Chloe tat wie ihr
befohlen. »Glaubst du wirklich, dass Will der Vorstellung, diese Frau zu
heiraten, widerstehen könnte?« Chloe sah sich das Bild an, aber sie sah die
zarte Aufforderung in ihren eigenen blauen Augen nicht, nicht die Vornehrnheit
ihrer hohen Wangenknochen und schmalen Schultern und den versteckten Anflug
sinnlicher Leidenschaft auf ihren vollen roten Lippen.
»Ja«,
antwortete sie.
»Nun,
dann hast du Unrecht.« Chloe verarbeitete das stumm. »Will kommt zu unserer
Hochzeit«, fügte Charlotte hinzu.
Der
Graf von Sheffield und Downes heiratete mir mehr Pomp und Glorie, als es London
seit Jahren erlebt hatte. Die Einladungsliste für die Hochzeit war streng
kontrolliert worden und beschränkte sich auf Peers und besondere Freunde von
Braut und Bräutigam. Allein das reichte aus, dass jeder, der auch nur den
geringsten Anspruch darauf hatte, zur Londoner Gesellschaft zu gehören, darauf
brannte,
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