01 - Ekstase der Liebe
eine Einladung zu erhalten, und bisher waren nur zwei Einladungen
abgelehnt worden. Charlotte konnte nicht vor die Tür gehen, ohne von Reportern
des Tatlers oder der Gazette attackiert zu werden, es gab sogar
eine fast ständige Klatschkolumne im Tatler, in der über das
Hochzeitskleid, die Hochzeitsreise und das zukünftige Leben (kinderlos oder
nicht?) spekuliert wurde.
»Nun
gut«, meinte Charlotte pragmatisch. »Was wirst du bei der Hochzeit tragen?«
Chloe schüttelte den Kopf. Um ehrlich zu sein, hatte sie sich noch nicht
entschieden, ob sie der Zeremonie beiwohnen sollte. Ihre Eltern hatten die
Einladung entschieden abgelehnt, obwohl sie maßlos erfreut waren, eingeladen
worden zu sein. Wenn sie an der Zeremonie teilnahm, würde sie von Sissy und
ihren Eltern begleitet werden. Aber sie hatte nicht daran gedacht, etwas
Besonderes zu tragen. Was machte das schon aus? Will war ohnehin nicht in
London. jetzt fing ihr Herz an, schneller zu schlagen. In drei Tagen würde sie
ihn sehen.
»0
nein!«, rief Chloe voller Qual. »Es ist zu spät, ein Kleid zu bestellen ... Ich
werde eines von diesen tragen müssen.« Sie zerrte wieder an dem schweren
Köperstoff.
»Nein«,
erwiderte Charlotte. »Nein, wirklich nicht. Weißt du, meine Mutter denkt seit
Wochen nur noch an meine Aussteuer - na ja, seit Alex mir den Antrag
gemacht hat. Und das bedeutet, dass mein Zimmer voller Kleider ist, mehr als
ich in einem Jahr tragen kann. Und es bedeutet, dass Näherinnen im Haus sind.
Sie sind seit einem Monat hier und nähen. Lass uns gehen. Wir suchen ein Kleid
aus und sie können es bis morgen ändern.«
»Nein,
nein«, stieß Chloe hervor. »Das kann ich nicht annehmen! ich werde nicht
zulassen, dass ... du wirst diese Kleider doch bei deiner Hochzeitsreise
brauchen!«
Charlotte
lächelte anzüglich, als sie Chloe ansah und unaufhaltsam zur Tür zog. »Nein,
das werde ich nicht. Alex sagt, dass ich überhaupt keine Kleider brauchen
werde.« Das brachte Chloe zum Schweigen und Charlotte führte sie nach oben.
Am Tage von Charlottes
Hochzeit begannen die Londoner, sich um fünf Uhr morgens vor Westminster Abbey
zu versammeln, um sehen zu können, wie der Adel in die Kapelle einzog. Bis zum
frühen Nachmittag hatte sich ein kleines, fröhliches, ausgesprochen höfliches
Grüppchen versammelt, das heiser die Kleidung jedes einzelnen Gastes
kommentierte - sogar die alte Lady Tibblebutt erhielt Applaus, als sie
aus ihrer Kutsche wankte und sehr deutlich erklärte, dass sie noch nicht senil
sei. Ein besonders freundlicher Zuschauer bot ihr sogar an, sie glücklich wie
einen Fisch im Wasser zu machen, bis die Menge ihn durch Buhrufe zum Schweigen
brachte.
Somit
war es ein wirkliches Kompliment, dass selbst die unverschämtesten Lehrlinge
vor Anerkennung verstummten, als Miss Chloe van Stork Sir Nigel Commonweals
Kutsche entstieg. Diamantentropfen hingen an ihren Ohren und ihre blauen Augen
strahlten. Aber was die Reporter dazu veranlasste, eifrig durch ihre
Notizbücher zu blättern, war die unwiderstehliche Kombination ihrer
magnolienweißen Haut mit ihrem rotbraunen Haar und dem gewagten grünen Kleid,
das nur von Antonin Carême kreiert sein konnte. Monsieur Carême war in
Anbetracht der Tatsache, dass man zur Presse hatte durchsickern lassen, dass er
Lady Charlottes Brautkleid entworfen hatte, der Mann des Tages. Es wurde eifrig
über den Stil des Brautkleides spekuliert. Miss van Storks Kleid war ein
klassischer Carême: Der fließende, leichte Stoff schien ihren Busen kaum zu
bedecken und schmiegte sich leicht um ihre Beine. Aber würde Charlotte Daicheston
zu ihrer Hochzeit etwas so Gewagtes tragen?
Um
Viertel vor vier hatten die Lakaien an den Türen der Westminster Abbey beinahe
alle Namen auf ihren Listen abgehakt. Wenige hatten es gewagt, zu spät zu
kommen, da sie fürchteten, in der großen Anzahl der Kutschen, die die Kirche
umringten, stecken zu bleiben. Die Menge war fieberhaft gespannt. Der Bräutigam
war da, jeder hatte gesehen, wie er hineingegangen war, ohne nervös zu wirken.
»Na ja,
's ist das zweite Mal für ihn, nich wahr?«, sagte eine gewisse Mall Trentle.
»So
isses, so isses«, sagte ihr Freund Mr Jack. »Was den nervös macht, is nicht die
Hochzeit, sondern die Nacht!«
»Du
bist mir vielleicht ein Witzbold, Jack«, erwiderte Mall mürrisch. Sie zog es
vor zu glauben, dass der Graf - was für ein hübscher Bengel er doch war! -
in diesem Bereich keine Probleme hatte.
»Und wo
ist die Braut?
Weitere Kostenlose Bücher