01 - Ekstase der Liebe
die
regierende Schönheit der Londoner Gesellschaft anhimmelte. Angewidert von sich
selbst, richtete er sich auf und machte auf dem Absatz kehrt. Er wusste, wo der
Herzog von Calverstill wohnte, warum sollte er sich mit dem Mückenschwarm
abgeben, der die Tochter des Herzogs umschwirrte? Alex spürte Braddon in einem
der Spielzimmer auf und ließ seine Kutsche kommen. Am Ende des Abends, den er
bei Brooks beim Glücksspiel verbrachte, war Alex um sechshundert Pfund reicher.
Um drei Uhr morgens waren die Kerzen in dem von Brooks als Samtsalon
bezeichneten Raum heruntergebrannt. Der Salon war mit dicken, dunkelgrünen
Samtvorhängen verhängt, um den Tag wie die Nacht erscheinen zu lassen, damit die
Spieler sich in einem zeitlosen Raum wähnten. Aber Alex hatte eine große Summe
Geld gewonnen und obwohl die meisten Spieler bis zum Morgengrauen weiterspielen
würden, war er müde und langweilte sich.
Er ließ
seinen Blick durch den Raum gleiten. Er war voller Aristokraten, die in den um
die Spieltische stehenden Sesseln lehnten. Nur der Diener, der die Kerzen in
den Leuchtern an der Wand erneuerte, sah genauso frisch aus wie um fünf Uhr
nachmittags, wenn Brooks seine Tore öffnete. Die Spieler hatten ihre kunstvoll
geknoteten Halsbinden gelockert oder sie bereits vor Ärger heruntergerissen.
Sie warfen fieberhaft die Würfel oder umklammerten ihre Karten und sahen
ungepflegt und erschöpft aus.
»Nun,
Mylord«, sagte jemand von der anderen Seite des Tisches gedehnt und mit starkem
Akzent. »Heute Abend ist es sehr gut für Sie gelaufen.«
Alex
wandte den Kopf und begegnete ruhig dem Blick von Lucien Boch, einem in England
lebenden französischen Marquis. Boch hatte waghalsig gespielt und verloren.
Der
Marquis beugte sich vor, die Hände fest auf dem grünen Filzbelag des Tisches,
der für das Kartenspiel Lomber reserviert war. »Sie hatten viel ... Glück«,
sagte er mit leiser, giftiger Stimme. Alex betrachtete ihn. Lomber war ein
Spiel, das Geschick erforderte, kein Glück. Boch hatte unvorsichtig gespielt.
»Ich
vertraue darauf, Monsieur«, meinte Alex gelassen, »dass Ihre Bemerkung
nichts zu bedeuten hat. Ich bin durchaus gewillt, meine Gewinne als das
Ergebnis von - Glück - anzusehen.«
Es
entstand eine kurze Stille. In Bochs Augen brannte der Zorn; er war so wütend,
dass er kaum atmen konnte. Er verzog die Lippen. »Ach, Mylord«, erwiderte er
schließlich. »Ich würde mein Glück beim Spiel jederzeit größer einschätzen als
Ihres ... in der Liebe.«
Es war
sehr still geworden im Raum. An drei der vier Tischen sprach niemand mehr, die
Spieler hörten aufmerksam zu. jeder wusste, dass die Söhne des verstorbenen
Grafen von Sheffield und Downes wegen ihres Hangs, Streitigkeiten mit den
Fäusten zu regeln, ins Ausland geschickt worden waren. Alexander schien reifer
geworden zu sein, aber konnte ein Mann eine Beleidigung dieser Natur
unbeantwortet über sich ergehen lassen?
Alex'
Herz schlug ruhig und gleichmäßig. In dem Jahr nach der Annullierung hatte er
sich an derartige schmutzige Beleidigungen gewöhnt. Aber dennoch, er hatte
gehofft, sie mit Italien hinter sich gelassen zu heben. Alex stemmte beide
Hände auf die grüne Oberfläche des Tisches und beugte sich leicht vor. Die
beiden Männer saßen sich jetzt Auge in Auge gegenüber, nur durch wenige
Zentimeter getrennt. Er lächelte.
»Vielleicht,
Monsieur«, sagte Alex leise, »sind Sie nur eifersüchtig auf meinen Erfolg bei
Frauen und setzen deswegen Ihr Leben aufs Spiel?«
Lucien
starrte Alex an. Ihm war übel, er hatte etwas Schreckliches getan. In der Hitze
des Gefechts hatte er beim Spielen ein Schmuckstück auf den Tisch geworfen, das
er stets in der Nähe seines Herzens trug: Es war der Ring, den ihm seine Frau
bei der Hochzeit angesteckt hatte.
»Mylord«,
sagte er heiser und ignorierte Alex' Drohung, die in der Luft schwebte. »Ich
bin ein Narr, weil ich den Ring meiner Frau verloren habe. Und sie ist ... sie
weilt nicht mehr unter uns, und ich muss ihn wiederhaben. Wollen Sie noch
einmal mit mir spielen?«
Alex
lehnte sich zurück. In Bochs Augen stand Verzweiflung. Alex holte den fein
ziselierten Ring, den ein Saphir zierte, aus seiner Tasche.
»Wie
lautet die Inschrift?«, fragte er und drehte ihn im Kerzenlicht um. Das Licht
der Kerzen fing sich in dem Saphir des Rings und ließ ihn aufblitzen. Er muss
gut tausend Pfund wert sein, dachte er.
»Toujours
á moi«, antwortete Boch leise.
»Für
immer mein«, übersetzte Alex.
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