01 - Ekstase der Liebe
nicht
verlassen hatten. Lady Charlotte Daicheston und der Graf von Sheffield und
Downes saßen Seite an Seite! Sarah Prestlefield, die soeben die Loge der
Brandenburgs betreten hatte, um ihre liebe Freundin Eloise zu begrüßen,
durchlief eine Welle der Befriedigung. Welch ein aufregendes Durcheinander.
Wirklich schade nur, dachte die skandalliebende Seele, dass Charlottes Eltern
nicht im Theater waren. Sie würde die ach so ruhige Adelaide zu gern angesichts
der offensichtlichen Vorliebe ihrer Tochter für den Unmöglichen Grafen, wie
jeder ihn nannte, außer Fassung sehen.
Schließlich
konnte Charlotte nicht länger so tun, als würde sie dem Geschwätz des jungen
Mannes zu ihrer Rechten aufmerksam lauschen. Sie wandte sich Alex zu, wobei
unwillkürlich ein Lächeln ihre Augen erstrahlen ließ.
»Mylord.«
»Lady
Charlotte.«
Es
entstand eine kurze Pause. Alex verspürte den starken Wunsch, sich vorzubeugen
und Charlottes Hals zu küssen. Dann würde er sie auf die Füße ziehen, zu seiner
Kutsche tragen und ihr das bisschen Musselin, das sie ein Kleid nannte, vom
Leib reißen.. Sein Blick verfinsterte sich und er spürte, wie er hart wurde.
Verdammt.
»Was
halten Sie von dem Stück?«, fragte er und nickte in Richtung der jetzt leeren
Bühne.
Charlotte
dachte über seine Frage nach. »Die ersten beiden Akte haben mir sehr gut
gefallen, aber der dritte war schwach ... Würde ein verrückter König wirklich
nur mit seinem Narren durch das Moor streifen? Und warum ist dieser Affe
plötzlich aufgetaucht?«
»Ja,
der Affe.« Alex blickte finster drein. »Haben Sie in der* Schule nicht
Shakespeare gelesen?«, fragte er.
»Natürlich.
Aber es gab viele Stücke, die wir nicht lesen durften, und in den anderen gab
es immer schwarz ausgestrichene Textstellen.«
»Schwarz
ausgestrichene Stellen? Was ist mit diesem Stück?«
»Wir
haben Lear überhaupt nicht zu lesen bekommen. Obwohl ich mir nicht
sicher bin, warum. Es scheint recht heiter zu sein, recht leicht.«
»Heiter!
Der dritte Akte sollte bitter sein ... erschreckend.
Erinnern
Sie sich an die Szene, als der König einen kleinen Jig darüber singt, so
verrückt wie der Wind und der Schnee zu sein?«
»Das
hat mir nicht gefallen.«
»Diese
Verse sollten geschrien, nicht gesungen werden brillante Verse, gesprochen von
einem Mann, der vollkommen verrückt ist: verrückt wie der Wind und der Schnee.«
Charlotte
dachte still darüber nach. »Auch die Verse holpern«, sagte sie. »Der Monolog
des Königs über das Alter zum Beispiel war brillant, aber dann dieser Mann, wie
heißt er noch? Reginald - er scheint in Prosa zu sprechen, nicht in
Versen.«
Alex
schauderte. »Das liegt daran, dass Reginald eine Verschönerung ist, die dieser
Esel von einem Dramaturgen dem Stück von Shakespeare hinzufügen wollte. Es gibt
im Original keinen Reginald.«
»Was
für ein Glück Sie haben«, sagte Charlotte bedauernd. »Man hat uns in der Schule
so betrogen.«
»Sie
könnten die Stücke doch jetzt lesen.« Alex hatte nie herausfinden können, was
gut erzogene junge Damen den ganzen Tag trieben. Männer kümmerten sich um
Investitionen, trafen ihre Gutsverwalter und hielten Reden im Parlament, sie
prügelten sich, spielten und hurten. Aber was machten Frauen? Er konnte sich
erinnern, wie seine Mutter die Wäsche zählte und Essen zu den Armen trug, aber
das war auch schon alles.
»0
nein«, erwiderte Charlotte abwesend. »Ich arbeite den ganzen Tag und habe
überhaupt keine Zeit mehr zum Lesen.«
»Sie arbeiten?«
Charlotte
stockte. Sie hatte noch nie mit einem Mann über das Malen gesprochen. Sie
würden sie sofort für eine Aquarellmalerin halten, die süße kleine Kränze und
Blumen malte.
Charlotte
sah Alex mit dem Anflug eines Lächelns ins Gesicht. »Wissen Sie, dass wir nicht
einmal Romeo und Julia ganz lesen durften?«
Alex
dachte nach. Sie hatten das Stück zwar nicht in der Schule gespielt, aber aus
dem Kopf erinnerte er sich an nichts, was zensiert werden müsste.
Charlotte
fuhr fort. »Meine Freundin Julia Brentorton - sie ist jetzt verheiratet
und lebt im Ausland - hat herausgefunden, dass sie ganze zehn Zeilen
gestrichen haben, das komplette Hochzeitsgedicht, Sie wissen schon, Julias
Monolog, bevor Romeo die Strickleiter zu ihrem Fenster hinaufsteigt.«
»Natürlich!«,
rief Alex verblüfft. »Denn er soll ruhn auf mir wie frischer Schnee auf eines
Raben Rücken, wie Tag auf Nacht ...«
Charlotte
wurde rot. Sie würde wie Schnee aussehen, wenn sie
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