01 - Ekstase der Liebe
Lady
Charlotte Daicheston.«
»Hmpf«,
sagte ihr Vater. »Diese Frau stand schon wieder in der Zeitung.«
»Oh.
Darf ich sehen, Papa? Das heißt, wenn Sie fertig sind.«
»Fertig?
Ich lese die Klatschseiten nicht, mein Fräulein!« Seine Familie umging taktvoll
die Frage, woher er dann wusste, dass Charlotte Daicheston in der Zeitung
stand. Chloe ging die Klatschseiten durch.
»Oh,
Mama!« Sie schnappte nach Luft. »Offensichtlich haben Charlotte und ihre
Freunde gestern Abend veranlasst, dass ein Feuerwerk für einen armen kranken
Mann gezündet wurde, nachdem wir Vauxhall verlassen haben.« Chloe bemerkte in
der Aufregung nicht einmal, dass sie Charlottes Vornamen benutzte. Sie las den
ganzen Artikel laut vor, der in allen Einzelheiten beschrieb, welche
Feuerwerkskörper gezündet worden waren und wie die verschiedenen Menschen
reagiert hatten, besonders der Kutscher eines Phaeton, dessen Pferde von einem
plötzlich aufblühenden, riesigen Pferd am Himmel erschreckt worden waren. Den
scharfen Kommentar des-Fahrers tat der Journalist jedoch als Missgunst ab
und schloss mit der Bemerkung, wie wenig Leute sich in diesen Tagen die Mühe
machten, den Kranken und Invaliden eine Freude zu bereiten. Mrs van Stork
lächelte. Sie selbst verbrachte die meiste Zeit damit, für die arme Bevölkerung
Londons Kleider zu nähen; Lady Charlotte bekam sofort einen Ehrenplatz in der
Schar der wohltätigen Menschen in London, die sie kannte – oder von denen sie
wusste. Selbst Mr van Stork brummte beifällig, als Chloe den Artikel zu Ende
gelesen hatte.
Kurz
bevor sie ging, steckte Chloe sich einige Veilchen an ihr weißes Kleid. Sie ging
zu Charlottes Haus ... und vielleicht, man wusste ja nie, vielleicht sah sie
Will dort. Im Gegensatz zu ihrem Vater machte sie sich keine falsche
Vorstellung davon, was es zu bedeuten hatte, dass Charlotte Baron Holland
gestern Abend mit einem Nicken zu sich gerufen hatte. Vielleicht, dachte sie
und schnappte ob dieses Gedankens nach Luft, waren sie Geliebte! Chloes gesunder
Menschenverstand meldete sich zu Wort. Charlotte war einfach so schön, dass
kein Mann ihrem Ruf widerstehen konnte. Nun ja, dachte Chloe, sie würde einfach
darauf hoffen müssen, dass Charlotte sich von Will abwandte. Den
Klatschkolumnen war zu entnehmen, dass Charlotte womöglich den >Unmöglichen
Grafen< heiraten würde, wer auch immer das war. Ihre Mutter hatte die Lippen
fest aufeinander gepresst, als Chloe fragte, um wen es sich handle und warum er
unmöglich sei.
Als sie
bei Calverstill House ankam, zitterte sie vor Aufregung. Vielleicht hatte
Charlotte es sich anders überlegt? Warum in aller Welt sollte sie Chloe
überhaupt malen wollen? Sie bekam große Augen, als sie in die Eingangshalle des
Stadthauses der Calverstills geführt wurde. Sie war natürlich schon in vielen
Häusern der Aristokratie zu Gast gewesen. Ihre Freundin Sissy Commonweal hatte
sie während der Schulferien öfter zu sich eingeladen. Aber dieses Haus war
anders. Der Boden der Eingangshalle schien aus vier oder fünf verschiedenen
Schattierungen von grünem Marmor zu bestehen und die Decke wölbte sich mit
einer Fülle von Cupidos und ruhenden Göttern über ihr. Sie war so überwältigt,
als der Butler sie in einen eleganten Salon geleitete, dass sie ihren Blick
fest auf den Boden heftete. Her lag bestimmt ein Fehler vor! Leute, die in
Häusern wie diesem wohnten, malten keine Porträts.
Aber
dann hörte sie, wie jemand leichtfüßig die Treppe hinunterlief, und Charlotte
Daicheston betrat das Zimmer,
»Ich
bin so froh, dass Sie gekommen sind!«, sagte sie.
Chloe
sah Charlotte an wie ein Ertrinkender den Rettungsring. Sie war so unglaublich
schön, aber mehr als das, sie war warmherzig. Chloe erhob sich,
um sie zu begrüßen. Sie schwankte ein wenig.
»Sind
Sie sicher ...«
»Natürlich
bin ich mir sicher! Ich arbeite schon seit etwa einer halben Stunde, um alles
vorzubereiten. Aber lassen Sie
mich
Ihnen erst meine Mutter vorstellen.« Chloe erbleichte. Sie hatte nicht damit
gerechnet, eine so bedeutende Persönlichkeit wie eine echte Herzogin kennen zu
lernen. Aber Charlotte
führte
sie rasch die breite Treppe hinauf und dann nach links. »Das ist der
Morgensalon.« Charlotte stieß die beiden vornehmen, großen Türen auf Chloe fand
sich auf der Schwelle eines blassgoldenen Zimmers wieder, dessen Batistvorhänge
leicht im Wind flatterten. Das Sonnenlicht durchflutete den Raum und die Möbel
wirkten eher bequem als elegant.
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