01 - Ekstase der Liebe
nicht nur ihre schönen
Gesichtszüge.«
Chloe
sah das Bild genau an. »Oh«, sagte sie schließlich. »Sie ist sehr, hm,
verlockend, nicht wahr?«
Charlotte
strahlte. »Ja. Und das ist Sophie als Mensch auch.« Chloe dachte an die
hungrigen Augen der Männer, die Sophie York am Abend zuvor umringt hatten.
»Ja«,
meinte sie. »Aber da ist noch etwas anderes ...«
»Es ist
für sie nur Spaß«, sagte Charlotte. »Sie ist aufreizend, aber nicht wirklich verführerisch. Was ich damit meine, ist, dass sie selbst davon unberührt
bleibt.« Charlotte fragte sich ernsthaft, ob sie einem jungen, unschuldigen
Mädchen gegenüber so deutlich sein sollte. Aber abgesehen von Sophie war Chloe
erst die dritte Person, die das Bild sah, und die erste, die sich die Mühe
machte, es genau anzusehen.
»Ich
verstehe«, sagte Chloe langsam. »Man sieht es an dem Mund. Sie sieht -
ja, sie sieht wie die Göttin Diana aus. Nicht dass ich weiß, wie Diana
aussieht«, fügte sie etwas verwirrt hinzu. »Aber als Göttin ist sie unglaublich
schön, aber sie hat alle Männer abgewiesen, das ist doch richtig, oder?«
»Daran
habe ich nie gedacht«, erwiderte Charlotte. »Ich bin nicht sicher, ob ich dem
zustimmen würde ... Ich habe immer gedacht, dass das Bild eine Person darstellt,
die mit einem Feuer spielt, das sie nicht versteht - noch nicht.«
»Ah«,
sagte Chloe. jetzt verstand sie vollkommen. Noch vor zwei Tagen hätte sie sich
ohne zu zögern genau wie Sophie eingestuft, außer dass sie nicht einmal mit
ihrer Verführungskunst spielte. Aber gestern war in ihr ein Gefühl entflammt,
von dessen Existenz sie nichts gewusst hatte, bis Will sie küsste.
Sie
wandte sich wieder Charlotte zu, ohne etwas zu sagen, aber Charlotte erkannte
sofort, dass Chloe keine dumme, ahnungslose Maid war. Chloe war so schweigsam,
dass man Gefahr lief, sie für naiv zu halten. Charlottes Freude auf das Porträt
wuchs von Minute zu Minute.
»Was
soll ich machen?«, fragte Chloe höflich.
Charlotte,
führte sie zu einem bequemen Diwan. »Ich möchte einfach, dass Sie dasitzen. Sie
müssen Ihren Kopf nicht in einer bestimmten Stellung halten und können sich
auch bewegen. Ich werde die nächsten Stunden damit verbringen, eine ganze Reihe
von Skizzen von Ihrem Gesicht im Profil und von vom zu zeichnen. Dann werde ich,
wie ich Ihnen gestern Abend gesagt habe, eine Weile allein weiterarbeiten und
einen Entwurf machen. Und dann werde ich Sie bitten, zu einer weiteren Sitzung
zu kommen, wahrscheinlich nächste Woche.«
Chloe
setzte sich, fühlte sich aber sehr gehemmt. Charlotte zog sich rasch eine große
Küchenschürze über den Kopf und setzte sich mit einem riesigen Zeichenblock auf
dem Schoß vor sie hin. Sie begann Skizzen zu machen und das einzige, was Chloe
sehen konnte, waren die schnellen, sicheren Bewegungen ihres Handgelenks.
Zuerst stellte Charlotte ihr einige Fragen, aber Chloe konnte sehen, dass sie
nicht wirklich reden wollte. Also verstummte Chloe einfach und dachte an Will.
Will gestern Abend ... im Gang ... in der Kutsche, vor ihrem Haus.
Charlottes
Hand zitterte. Was in aller Welt geschah mit Chloe? Das zurückhaltende, ernste
Mädchen, das sie am Abend zuvor kennen gelernt hatte, verwandelte sich in eine
leidenschaftliche Frau, die eine glühende Sexualität ausstrahlte. Konnte es
sein, dass sie, Charlotte, die Naive war? Sie hatte die Welt nicht so gesehen,
wie sie war, bis Alex auftauchte und ... Charlotte starrte finster vor sich
hin. Sie war sich nicht sicher, ob ihr diese neue Welt voller umherschweifender
Ehemänner und junger, liebestoller Mädchen gefiel. Aber vielleicht war ja
Charlotte liebestoll und legte dieses Gefühl in das Gesicht einer ernsten
holländischen Maid? Charlotte betrachtete die Skizze auf ihrem Schoß und die
Blätter, die wie Laub rings um ihren Stuhl gefallen waren. Nein. Ihr Bleistift
log nicht. Das tat er nie. Der Gedanke beruhigte sie und sie fing an schneller
zu skizzieren, um Chloes Zurückhaltung, das Wesen ihrer extremen
Selbstkontrolle einzufangen, die sich auf faszinierende Weise mit ihrer
glühenden Sinnlichkeit die Waage hielt.
Nach
etwa einer Stunde hatte Charlotte ihren Rhythmus gefunden. Und sie machte
Fortschritte. Manche Skizzen beinhalteten genau das, was sie haben wollte.
Beispielsweise hatte sie auf einem der Blätter auf dem Boden Chloes Blick
eingefangen. Und irgendwo lagen ihr schönes, ruhiges Kinn und ihr Hals in
Kohle, nicht in Bleistift. In ihrer Vorstellung begann das Porträt
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