01 - Ekstase der Liebe
Florenz
fahren und uns Porträts von Leonardo ansehen ... und Rom, die Michelangelos ...«
Chloe
wäre nicht so verlegen gewesen, hätte sie Charlottes Gesicht sehen können. Noch
während Alex die Orte aufzählte, die sie auf der ganzen Welt am liebsten
besucht hätte, wurde sie immer wütender. Sie war an diesem Morgen mit einer
Sehnsucht nach etwas Unbekanntem verstimmt aufgewacht. Und mit Charlottes Ärger
wuchs auch die Gewissheit, dass sie Alex nicht heiraten würde. Was sie für ihn
empfand, war bloße sexuelle Begierde; und das war selbstredend kein Gefühl, auf
das eine Dame Wert legte, und schon gar kein Grund zum Heiraten. Tatsächlich
hatte sie sich voller Befriedigung den Augenblick ausgemalt, in dem Alex sie
noch einmal fragen würde, ob sie seine Frau werden wollte, und sie ihn höflich,
aber kühl, zurückwies. Und jetzt unterstellte er einfach, dass
sie ihn heiraten würde! Seine unverschämte Arroganz reizte sie bis aufs Blut.
Ihr Gesicht verfinsterte sich.
Alex
war kein Narr. Er unterbrach sich in der Aufzählung italienischer Städte und
starrte sie mit noch hochfliegenderen Augenbrauen an.
Charlotte
öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie konnte ihm in Gegenwart von Chloe
und Pippa nicht sagen, was sie von ihm und seinen Unterstellungen hielt.
Außerdem hatte sie schon vor einiger Zeit bemerkt, dass Pippa unsicher auf dem
Sofa thronte und versuchte, ihr kleines, pummeliges Bein über die Rückenlehne
zu werfen. Von dort würde sie sicher herunterfallen und sich wehtun. Also
drehte sie sich einfach um und hob Pippa vom Sofa.
Pippa
öffnete den Mund, um zu schreien, und beruhigte sich dann. Charlotte lachte sie
an. Sie mochte den Papa nicht mögen, aber diesen kleinen, unabhängigen Geist
mochte sie ganz gewiss.
»Ich
bin kein Kindermädchen, erinnerst du dich an mich?«
Pippa
schenkte ihr ein leichtes, vorsichtiges Lächeln. Charlotte setzte sie auf den
Arm, so dass Pippa aufrecht saß und sehen konnte, wohin sie gingen.
»Miss
van Stork«, sagte sie liebenswürdig. »Da unsere Sitzung unterbrochen wurde,
könnten wir uns doch auf eine Tasse Tee zu meiner Mutter in den Morgensalon
gesellen.«
Alex
wurde schwer ums Herz. Nicht nur dass seine Liebste wie eine schwarze
Sturmwolke und übel gelaunt wie ein Hausdrache aussah, jetzt wollte sie auch
noch zu ihrer Mutter gehen, Und wenn er den Herzog von Calverstill heute Morgen
richtig verstanden hatte, wurde die Herzogin gerade eben dazu überredet, ihn zu
empfangen.
Er
räusperte sich. »Ihre Mutter ist gerade beschäftigt.«
Charlotte
drehte sich um. »Und wie, bitte, wollen Sie das wissen?«
»Ihr
Vater hat es mir gesagt«, erwiderte Alex und hielt ihrem Blick stand. Charlotte
starrte ihn einen Augenblick lang entmutigt an. Was hatte das zu bedeuten?
Plötzlich ging ihr ein Licht auf. Alex musste an diesem Morgen ihren Vater
aufgesucht und um ihre Hand angehalten haben. Und irgendwie hatte er ihren
Vater dazu gebracht, dieser Vorstellung nicht völlig abgeneigt zu sein. Und in
diesem Moment erzählte ihr Vater ihrer Mutter die Geschichte, die Alex ihm
aufgetischt hatte. Charlotte sah Alex nachdenklich an.
»Hm«,
machte sie.
»Ich
muss jetzt gehen«, warf Chloe ein. Sie fand an dieser gespannten Unterhaltung keinen
Gefallen, zumal sie keine Ahnung hatte, was vor sich ging. »Meine Mutter hat
sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass meine Rückkehr noch vor Mittag
unabdingbar sei.«
Charlotte
wandte sich ihr zu und blickte enttäuscht drein. »Oh, aber Sie ...«
Alex
mischte sich ein, nahm Chloes Hand und lächelte sie freundlich an. »Wir wissen
alle, wie Mütter sind«, sagte er. »Ich verspreche, dass ich Ihre nächste
Sitzung mit Charlotte nicht unterbrechen werde.«
Chloe
sah ihn eine Weile stumm an. Meine Güte, war dieser Mann von sich überzeugt.
Sie konnte nicht leugnen, dass er unglaublich attraktiv war, aber gab es da
wirklich keinen Sprung in seiner Selbstsicherheit? Na ja, er war ein Mann und
ein Adliger, und er war reich, dachte sie mit einigem Groll. Warum sollte es da
einen geben?
»Natürlich«,
erwiderte sie hastig, als ihr bewusst wurde, dass sie zu lange geschwiegen
hatte. Chloe entzog ihm ihre Hand und wandte sich Charlotte zu. Dann musste sie
unwillkürlich lächeln. Vielleicht folgte die wohlverdiente Strafe für Alex auf
dem Fuß. In den Worten ihrer Mutter sah Charlotte aus wie ein Stier, der rot
sieht. In Chloes Lächeln lag aufrichtige Wärme, als sie vor Charlotte einen
Knicks machte.
»0
Gott«.
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