Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
nicht, warum ich so gern mit Ihnen rede«, sagte sie, schon mit einem Fuß auf der Treppe zum Vorbau.
    »Ich war mir nicht ganz sicher. Tun Sie's wirklich?«
    »Ich denke schon«, erwiderte O'Toole mit einem angedeuteten Lächeln. Nach einer Sekunde war es wieder verschwunden. »John, mir kommt das alles zu früh.«
    »Sandy, mir geht's genauso. Aber ist es zu früh, um Freundschaft zu schließen?«
    Sie dachte darüber nach. »Nein, dafür nicht.«
    »Gehen wir mal abends essen? Ich hab das ja schon mal gefragt, erinnern Sie sich?«
    »Wie oft sind Sie in der Stadt?«
    »Neuerdings öfter. Ich hab einen Job - na ja, eine Aufgabe in Washington.«
    »Was denn?«
    »Ach, nichts Wichtiges.« Sandy roch förmlich die Lüge, aber es war sicher keine, die sie verletzen sollte.
    »Vielleicht nächste Woche?«
    »Ich ruf Sie an. Aber ich kenne hier kein einziges gutes Lokal.«
    »Ich schon.«
    »Ruhen Sie sich aus«, riet ihr Kelly. Er versuchte nicht, sie zu küssen, gab ihr nicht einmal die Hand. Nur ein freundliches, liebevolles Lächeln, bevor er davonging. Sandy sah ihm nach, als er abfuhr, und fragte sich die ganze Zeit, was an dem Mann nur so anders war. Sie würde seinen Gesichtsausdruck damals im Krankenhausbett nie vergessen, aber was immer das auch gewesen sein mochte, es war nichts, wovor sie Angst haben mußte.
    Kelly fluchte im Auto still vor sich hin. Er trug nun die Arbeitshandschuhe und rieb damit über jede erreichbare Fläche im Wagen. Er konnte nicht viele solcher Gespräche riskieren. Was war der Sinn bei alledem? Wie zum Teufel sollte er denn das wissen? Draußen im Feld war es einfach. Da machte man den Feind ausfindig, oder irgend jemand sagte dir, so war das meistens, was eigentlich vorging, wer der Feind war und wo er stand - oft war die Information dann falsch aber wenigstens hatte man erst mal einen Ansatzpunkt. Aber auf welche Weise die kommende Aktion die Welt verändern oder vielleicht den Krieg beenden würde, war kein Thema bei den Einsatzbesprechungen. So etwas gab es nur in den Zeitungen zu lesen, Informationen, die gleichgültige Reporter immer wieder vorbeteten, nachdem sie sie aus dem Munde von nichtswissenden Pressesprechern oder unbekümmerten Politikern bekommen hatten. »Infrastruktur« und »Rahmenbedingungen« waren deren Lieblingsworte, aber er hatte Menschen gejagt, keine Infrastruktur, was zum Teufel das auch sein sollte. Infrastruktur war etwas Abstraktes, so wie das, wogegen Sandy ankämpfte. Es war keine Person, die Böses tat und die wie angriffslustiges Großwild in die Enge getrieben werden konnte. Und was bedeutete das nun für sein gegenwärtiges Tun? Kelly sagte sich, er müsse sein Denken im Zaum halten, bei den einfachen Dingen bleiben, nur immer im Gedächtnis behalten, daß er Jagd auf Menschen machte, so wie früher. Er würde nicht die ganze Welt verändern, er würde nur eine kleine Ecke davon säubern.
    »Tut es noch weh, mein Freund?« fragte Grischanow.
    »Ich glaube, ich habe einige Rippen gebrochen.«
    Zacharias setzte sich auf einen Stuhl. Er atmete langsam und offenbar nur unter Schmerzen. Das beunruhigte den Russen. Eine solche Verletzung konnte zu einer Lungenentzündung führen, und die konnte einen Mann in diesem körperlichen Zustand umbringen. Die Bewacher harten sich etwas zu eifrig auf ihr Opfer gestürzt, und obwohl es auf Grischanows Verlangen hin geschehen war, hatte er ihm doch nicht mehr als ein kleines bißchen Schmerz zufügen wollen. Ein toter Gefangener würde ihm nicht erzählen können, was er wissen wollte.
    »Ich habe mit Major Vinh gesprochen. Der kleine Wilde sagt, er hat keine Medikamente übrig.« Grischanow zuckte mit den Achseln. »Könnte sogar stimmen. Tut es sehr weh?« »Bei jedem Atemzug«, erwiderte Zacharias, und er sprach eindeutig die Wahrheit. Seine Haut war sogar noch blasser als gewöhnlich.
    »Gegen den Schmerz habe ich nur ein Mittel, Robin«, sagte Kolja entschuldigend und hielt ihm die Flasche hin.
    Der amerikanische Colonel schüttelte den Kopf, und selbst das schien ihm weh zu tun. »Ich kann nicht.«
    Grischanow klang so frustriert wie jemand, der einem Freund vergeblich gut zuzureden versucht. »Dann bist du ein Narr, Robin. Schmerz nützt niemandem was, nicht dir, nicht mir, nicht deinem Gott. Bitte, laß mich dir ein bißchen helfen, ja?«
    Ich kann nicht, sagte sich Zacharias. Es hieße, seinen Bund aufzukündigen. Sein Körper war ein Tempel, und den mußte er von solchen Dingen reinhalten. Doch der Tempel

Weitere Kostenlose Bücher