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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wie?« Er deutete auf Deborah. »Waren wohl eine ganze Weile hinter ihm her?«
    »Seit meiner Kindheit«, antwortete sie freundlich.
    »Kindheit?« Hank ging durchs Zimmer, um sich noch einen Kognak einzuschenken. Alice Burton-Thomas schnarchte laut, als er an ihr vorüberkam. »Liebe auf der Schulbank, hm, genau wie Jojo und ich. Weißt du noch, Böhnchen? Damals in meinem alten Chevy? Haben Sie hier eigentlich Drive-in-Kinos?«
    »Ich glaube, dieses Phänomen trifft man nur in Ihrem Land an«, erwiderte St. James.
    »Ach was.« Hank zuckte die Achseln und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Kognak tropfte auf seine weiße Hose. Er achtete nicht darauf. »Sie kennen sich also von der Schulzeit?«
    »Nein. Wir wurden einander im Haus meiner Mutter vorgestellt.«
    St. James und Deborah tauschten einen Blick.
    »Aha, die wollte Sie verkuppeln, was? Das Böhnchen und ich haben uns auch durch Freunde kennengelernt, die uns einfach zusammengeschmissen haben. Da haben wir was gemeinsam, Sir.«
    »Wissen Sie, ich bin im Haus seiner Mutter geboren«, bemerkte Deborah höflich. »Aber aufgewachsen bin ich eigentlich in Simons Haus in London.«
    Hank war perplex. »Hast du das gehört, Böhnchen? Sind Sie beide verwandt? Vetter und Cousine oder so was?« Vorstellungen von Bluterkranken, die hinter geschlossenen Türen dahinsiechen, schossen ihm augenscheinlich durch den Kopf.
    »Nein, nein. Mein Vater ist Simons - wie würdest du Vater bezeichnen, Simon?« fragte sie ihren Mann. »Lakai, Diener, Butler?«
    »Schwiegervater«, sagte St. James.
    »Hast du das mitgekriegt, Böhnchen«, sagte Hank ehrfürchtig. »Das nenne ich romantische Liebe.«

    Es war so plötzlich, so unerwartet gekommen, daß sie Mühe hatte, es zu verdauen. Lynleys Charakter entpuppte sich als so facettenreich wie ein meisterlich geschliffener Diamant. Immer wieder zeigte sich eine neue Seite, die sie nie zuvor gesehen hatte.
    Er liebte Deborah. Gut, das war klar. Das war verständlich. Aber daß er die Tochter von St. James' Diener liebte! Barbara fand es unglaublich. Wie hatte ihm das nur passieren können? Er hatte auf sie immer den Eindruck gemacht, als hätte er seine Gefühle und sein Leben absolut unter Kontrolle. Wie hatte er das geschehen lassen können?
    Sie sah sein merkwürdiges Verhalten bei der Hochzeit jetzt in einem ganz neuen Licht. Er hatte nicht sie so schnell wie möglich loswerden wollen; er hatte dem Schmerz entfliehen wollen, den es ihm bereitete, die Frau, die er liebte, mit einem anderen Mann glücklich zu sehen.
    Wenigstens verstand sie jetzt, warum Deborah sich zwischen den beiden Männern für St. James entschieden hatte. Sie hatte zweifellos nie eine Wahl gehabt. Lynley hätte ihr niemals von Liebe gesprochen, denn hätte er das getan, so hätte das unweigerlich zur Frage der Heirat geführt, und niemals würde Lynley die Tochter eines Hausdieners heiraten. Das hätte seinen Familienstammbaum bis in die Wurzeln erschüttert.
    Doch er hatte sicherlich den Wunsch gehabt, Deborah zu seiner Frau zu machen. Wie mußte er gelitten haben, als er mit ansah, wie St. James seelenruhig alle gesellschaftlichen Konventionen durchbrach, die ihn selbst - Lynley - gefangenhielten.
    Was hatte St. James gesagt? Mein Schwiegervater. Mit diesem einen Wort hatte er gelassen sämtliche Standesunterschiede beseitigt, die ihn von seiner Frau getrennt hatten.
    Kein Wunder, daß sie ihn liebt, dachte Barbara.
    Im dunklen Auto warf sie einen verstohlenen Blick auf Lynley. Wie ertrug er das Wissen, daß es ihm an Mut gefehlt hatte, Deborah zu seiner Frau zu machen; daß er so feige gewesen war, den Namen seiner Familie über seine Liebe zu stellen? Wie er sich dafür hassen mußte! Wie tief er das bereuen mußte! Wie schrecklich einsam er in Wirklichkeit sein mußte!
    Er spürte ihren Blick.
    »Sie haben heute gute Arbeit geleistet, Sergeant. Besonders heute abend. Dafür, daß Sie uns Hank eine volle Viertelstunde lang vom Hals gehalten haben, verdienen Sie eine besondere Belobigung.«
    Die anerkennenden Worte taten ihr gut. »Danke, Sir. Ist St. James bereit, uns zu helfen?«
    Er nickte. »Ja.«

    Ja, dachte Lynley, er ist bereit, uns zu helfen. Mit einem Seufzer, in dem sich Bitterkeit und Selbstironie mischten, warf er die Akte auf den Nachttisch, legte seine Lesebrille obenauf und rieb sich die Augen. Er zog das Kissen hinter seinem Rücken hoch.
    Deborah hatte mit Simon gesprochen. Das war ihm gleich klargewesen. Und sie waren sich über die

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