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01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

Titel: 01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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mir nicht sicher ... Wollen Sie mich nicht Annabel nennen, Miss Dalrymple?«
    »Selbstverständlich, gerne, aber dann müssen Sie mich auch Daisy nennen.«
    Es war ihr aufgefallen, daß Wilfred und Geoffrey es vermieden, ihre Stiefmutter beim Vornamen zu nennen. Ohne Zweifel würde Lord Wentwater eine solche Vertrautheit mißbilligen, doch sie »Mutter« zu nennen, wäre wohl kaum möglich. Es war eine schwierige Situation - schließlich war sie ihren Stiefkindern altersmäßig näher als ihrem Ehemann. Daisy fühlte mit ihr, doch gleichzeitig fragte sie sich, ob das wohl die einzige Erklärung für ihre offensichtlich gedrückte Stimmung war.
    Lady Josephine trank ihren Kaffee zuende und wuchtete sich aus ihrem Sessel. »Also, Daisy, soll ich Sie mal durch das Haus führen, ehe es Mittagessen gibt? Möchtest du nicht mitkommen, Annabel? Ich bin sicher, daß es einige Geschichten gibt, die du noch nicht gehört hast.«
    »Das würde ich gerne, aber ich muß unbedingt noch ein paar Briefe schreiben«, entschuldigte sich Annabel.
    »Aber wem sie angeblich schreiben will«, murmelte Lady Josephine Daisy zu, als sie aus dem Damensalon traten, »das kann ich mir im Leben nicht vorstellen. Als Henry sie geheiratet hat, hatte sie überhaupt keine Freunde. Die beiden haben sich letzten Winter in Italien kennengelernt, wissen Sie«, erklärte sie. »Henry war nach einer scheußlichen Bronchitis zur Kur dorthin geschickt worden, und sie war frisch verwitwet.«
    Ihr Ton verriet Daisy einiges über Lady Josephines Meinung zu jungen, schönen, einsamen Witwen, die reiche Adlige heirateten, die alt genug waren, um es besser zu wissen.
    Der Rundgang begann in der Eingangshalle, die gelegentlich immer noch für größere Abendgesellschaften genutzt wurde.
    »Ich werde Sie nicht mit Details langweilen, die Sie auch in Büchern nachschlagen können«, sagte Lady Josephine geradeheraus. »In der Bibliothek steht ein ganz gutes Buch über das Haus und den Teil der Geschichte der Beddowes, den man drucken kann - Sie wissen schon, wer wen geheiratet hat, wer in wessen Kabinett Minister war -, aber die Familienhistörchen werden Sie darin nicht finden.«
    »Da verlasse ich mich auch ganz auf Sie.«
    »Also, der erste Baron Beddowe hat unser Anwesen während der Zeit Heinrichs VII. erbaut, ein kluger Kerl, der im Rosenkrieg auf der richtigen Seite stand - nachdem er allerdings vorher gleich mehrfach das Bündnis gewechselt hatte. Sein Enkel war einer der wenigen Adligen, die Königin Elisabeth I. beherbergt haben, ohne dadurch den Bankrott zu erleiden.«
    »Wie hat er das denn geschafft?« fragte Daisy und stenographierte Notizen in ihr Heft.
    »Auf eher unehrenhafte Weise, fürchte ich. Die Königin fiel mit ihrem üblichen Riesengefolge auf Wentwater ein. Am zweiten Abend, während eines üppigen Banketts in genau diesem Saal, hat mein Ahne einen Streit mit einem der Höflinge angezettelt. Die Queen hatte den Kerl schon lang loswerden wollen, aber ohne Erfolg, da er der Sohn eines einflußreichen Herrn war. Wilfred Beddowe, angeblich betrunken, erstach den Kerl mit einem Stoß ins Herz - mit dem Dolch, den sie da oben zwischen den Hellebarden aufgehängt sehen.« Sie zeigte auf den gemmenbesetzten Dolch, der an dem Ehrenplatz über dem riesigen Kamin hing.
    »Und die Königin war so dankbar, daß sie gleich am nächsten Tag abgereist ist?«
    »Ja, wobei sie natürlich ihr Entsetzen und ihre Mißbilligung zum Ausdruck brachte. Allerdings wurde er knapp ein Jahr später zum Grafen ernannt.«
    Daisy lachte. »Das ist genau die Art von Geschichten, die meinen Artikel interessant machen werden. Ob Lord Wentwater etwas dagegen haben wird, wenn ich sie verwende?«
    »Du liebe Güte, nein. Solange Sie nicht die Skandale des letzten Jahrhunderts oder ähnliches bringen.« Lady Josephine gab nun eine unanständige Geschichte von der Verwicklung ihres Großonkels mit Lilie Langtry und dem Prinzen von Wales, Bertie, zum besten. »Henry hat sich über solche Dinge immer sehr aufgeregt«, sagte sie. »In mancherlei Hinsicht ist er viktorianischer als das ganze viktorianische Zeitalter. Manchmal mache ich mir wirklich Sorgen, daß er mit Annabel nicht glücklich wird.«
    »Sie scheint doch sehr in sich zu ruhen«, sagte Daisy taktvoll.
    »Aber sie ist um so vieles jünger. Wenn nur mein idiotischer Neffe diesen Lord Stephen nicht eingeladen hätte!«
    Daisy strengte sich nicht besonders an, die vertraulichen Erzählungen abzuwenden, die sie ja

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