01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
tendierte er dazu, Lord Wentwater zu glauben.
Andererseits hatte der Graf vielleicht auch damit gerechnet, Mentons Freund beim Yard beeinflussen zu können, wohingegen Colonel Wetherby seinem Einfluß entzogen war. Lord Wentwater blieb also auf der Liste.
James Beddowe stand zwar immer noch ganz oben, aber es gab leider nicht genügend Beweise. Alec ließ ihn rufen.
Der Erbe des Grafen war jedenfalls nicht mehr der selbstbewußte, bissige junge Mann von gestern. Wie ein geprügelter Hund trat er ein, und dieser Eindruck wurde von dem lilafarbenen Mal auf seinem Kinn noch verstärkt. Er ließ sich in den Sessel fallen, den Alec ihm wies.
Alec verschwendete kein Mitleid auf ihn. »Möchten Sie ihrer Aussage noch irgend etwas hinzufügen oder sie verändern?«, fragte er.
»Aussage!« James sah eindeutig erschrocken aus. »Hören Sie mal, was ich Ihnen gestern erzählt hab, war reine Spekulation. Wenn Sie das eine Aussage nennen, dann werde ich das ganze verflixte Ding zurückziehen. Zerreißen Sie es.«
»Ich fürchte, das geht nicht. Aber ich werde notieren, daß sich Ihre Meinung seit gestern Abend geändert hat.«
»Von gestern Abend haben Sie wahrscheinlich schon alles gehört«, sagte James verdrießlich und betastete seinen blauen Fleck.
»Mir ist mitgeteilt worden, Sie hätten Lady Wentwater mehr oder minder geradeheraus und in der Gegenwart Ihres Vaters beschuldigt, ihren Liebhaber ermordet zu haben. Stimmt das?«
»Ich hab doch nur einen Scherz gemacht! Wenn Geoffrey nicht gleich ausgerastet wäre, dann hätte niemand ernst genommen, was ich gesagt habe, weil Astwicks Tod ja ganz offensichtlich kein Mord war. Es war ein Unfall. Es bricht doch immer wieder mal jemand durch dünnes Eis durch. Der Doofkopp hätte es vorher überprüfen müssen. Und alleine Schlittschuhlaufen zu gehen, ist ja ohnehin mehr als leichtsinnig.«
»Das Eis war fest, und die Temperaturen lagen in der Nacht weit unter Null.«
James lächelte spöttisch. »Eis ist niemals überall gleich dick, wissen Sie. Astwick ist auf eine dünne Stelle geraten. Einfach nur Pech. Es war ein Unfall.«
»Ein >Unfall<, den Sie versucht haben, Ihrer Stiefmutter anzulasten. Vielleicht haben Sie den >Unfall< herbeigeführt, um ihn Ihrer Stiefmutter anlasten zu können?«
»Guter Gott, nein! Das können Sie doch nicht ernsthaft glauben.«
»Es gibt Hinweise, daß das Eis bearbeitet wurde.«
»Nicht von mir! Sie müssen sich irren. Das war ein reiner Zufall.«
Alec schüttelte den Kopf.
»Woher wollen Sie sich dann sicher sein, daß sie es nicht getan hat? Ich war es nicht, das schwöre ich Ihnen. Warum hätte ich Astwick etwas zuleide tun wollen?«
»Zum Beispiel um dann Lady Wentwater die Schuld zuzuschieben«, beharrte Alec.
James bestand darauf, daß die Polizei die Indizien falsch interpretierte. Astwick sei auf eine dünne Stelle im Eis geraten.
»Das hätte jedem passieren können«, insistierte er.
»Phillip Petrie auch, zum Beispiel?«
Als der Bruder seiner ehemaligen Verlobten erwähnt wurde, zog James eine Grimasse. »Oder mir. Aber es wäre jemand da gewesen, um uns herauszuziehen.«
Also hatte er Petries Angeberei nicht gehört. Auch diese Tatsache sprach gegen ihn. Andererseits hatte er Fenella an dem Tag zum Schlittschuhlaufen mitgenommen, als er die Leiche fand.
War er kaltschnäuzig genug, das harmlose Mädchen einem solchen Schock auszusetzen? Sein Benehmen gegenüber seiner Stiefmutter legte das nahe.
Alec ging erneut mit ihm die Ereignisse um die Entdeckung von Astwicks Leiche durch und hoffte dabei auf einen verräterischen Versprecher. Er erfuhr jedoch nichts Neues.
Wilfred war als nächster dran. Er kam in den Blauen Salon gerauscht und sagte sofort: »Sie dürfen nicht glauben, was mein Bruder über Annabel gesagt hat. Unglaublich schlechte Manieren, fürchte ich. Der arme alte Herr ist am Boden zerstört.«
Alec mochte diesen schwungvollen jungen Mann, der so unverblümt zugab, durch Astwicks Tod erleichtert zu sein. Er müßte schon sehr durchtrieben sein, um die Ursache für diese Erleichterung selber herbeigeführt zu haben. Dennoch konnte man ihn nicht gleich von der Liste streichen.
Dasselbe galt für die Mentons, obwohl eine zweite Unterredung mit ihnen keine weiteren Verdachtsmomente ergab. Alles in allem blieb die Liste unverändert, obwohl die Gewichtung von Alecs Verdacht sich etwas verschoben hatte. Auch eine durchgeschlafene Nacht hatte das Durcheinander nicht erhellen können. Er ließ Daisy
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