01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
hinteren Gang zu den Garagen. Daisy trat hinaus auf die vordere Veranda, um etwas frische Luft zu schnappen, und wenige Minuten später sah sie den gelben Austin Seven, wie er die Auffahrt hinunter in die regnerische Dämmerung verschwand. Als sie in die Halle zurückkehrte, stand dort immer noch der untröstliche Piper.
»Vermutlich wären Sie gerne bei der Befragung von Payne dabei gewesen«, sagte sie.
»Ja, Miss, und wie!«
»Sie werden hier nötiger gebraucht, sonst hätte Sie Mr. Fletcher nicht hier postiert«, tröstete sie ihn. »Haben Sie schon einmal mit ihm zusammengearbeitet?«
»Noch nicht an einem auswärtigen Fall, Miss.«
»Wird er denn oft zu Einsätzen außerhalb der Stadt fortgeschickt?«
»Ziemlich oft, Miss. Er bearbeitet diese ganzen Juwelendiebstähle, und auch alle anderen Fälle, bei denen es irgendwie um Adlige geht. Er hat einen Universitätsabschluß, verstehen Sie, der weiß, wie man mit dieser Art von Leuten redet.«
Daisy begriff, daß Piper sie somit nicht mehr zu »dieser Art von Leuten« rechnete. Auf dem Fischzug nach Informationen über Alec, bemerkte sie beiläufig: »Es muß ja für seine Familie sehr schwer sein, daß er so oft von zu Hause weg ist.«
»Alle Polizisten haben unregelmäßige Arbeitszeiten, Miss«, sagte Piper und vereitelte unabsichtlich so ihren Versuch, »und für uns Detectives ist es am allerschlimmsten. Mein Mädchen weiß, worauf es sich eingelassen hat.«
Ehe Daisy an seinem Mädchen höfliches Interesse vortäuschen konnte, klingelte das Telephon, und Drew erschien wie von Zauberhand geschickt. »Für den Chief Inspector«, tat er dann kund.
»Der ist schon weg«, sagte Daisy bedauernd.
»Ich geh dran«, sagte Piper wichtigtuerisch und nahm den Apparat aus den Händen des Butlers, der auf genauso geheimnisvolle Weise verschwand, wie er erschienen war. »Hallo, hallo, hier spricht Detective Constable Piper C. I. D.«
Aus dem Hörer quakte eine Stimme wütend auf ihn ein und unterbrach damit seinen Versuch, die Abwesenheit seines Vorgesetzten zu erklären. Piper tastete in seiner Tasche und holte daraus Notizblock und Stift hervor. Daisy entfernte das Gummiband, mit dem der Block zugehalten wurde, und öffnete ihn für den Detective. Ein paar Minuten lang kritzelte er verzweifelt darauf herum.
»Ja, ich glaube, das hab ich soweit, aber ... hallo, Fräulein? Verdammt noch mal, der hat doch einfach aufgehängt.« Er errötete. »Ich bitte um Entschuldigung, Miss.«
»Ach, machen Sie sich keine Sorgen. Wer war es denn? Was hat er gesagt?«
Der Constable begutachtete nachdenklich seine Notizen.
»Es war Dr. Renfrew, Miss, der Gerichtsmediziner. Soweit ich das verstanden habe, ist Astwick spätestens zwei Stunden nach dem Abendbrot ertrunken.«
12
Daisy und Detective Constable Piper starrten sich an.
»Also ist Astwick noch an demselben Abend gestorben«, sagte Daisy. »Nicht am Morgen?«
»Scheint so, Miss. Man hat wohl festgestellt, daß er nicht gefrühstückt hat, und ich hab die Doktors erzählen hören, daß sie ziemlich genau sagen können, was einer zuletzt gegessen hat, von dem, was er im Magen hat.«
»Igitt! Was in aller Welt hatte er denn vor, nachts im Dunkeln auf Schlittschuhen? Das ist doch wirklich merkwürdig, und ich weiß genau, daß er gesagt hat, er wolle zu Bett gehen.« Sie erinnerte sich noch, daß sie sich gefragt hatte, ob er sein eigenes oder Annabels Bett meinte. Aber das mußte Piper wirklich nicht wissen. Plötzlich sehnte sie sich nach Alecs kompetenter Gegenwart. »Oh Gott, das kompliziert die Dinge aber wirklich«, rief sie aus. »Sie sollten wohl besser das Polizeirevier in Winchester anrufen und eine Nachricht für den Chief hinterlassen. Möglicherweise will er noch heute Abend zurückkommen.«
»Dr. Renfrew hat gesagt, er hätte da schon angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Deswegen hat er mir ja auch alles lang und breit erklärt. Als ob ich was dafür kann, daß er den Chief nirgends findet.«
»Einfach unfair«, bemitleidete ihn Daisy. »Hat er noch irgend etwas anderes gesagt?«
»Irgendwas über Konfusionen und kaltes Wasser.« Piper blätterte verwirrt in seinen Notizen. »Und Hängeton?«
Daisy dachte angestrengt nach. »Kontusionen und Hämatome? Blaue Flecken und Blutbeulen?« Nicht umsonst hatte sie während des Kriegs eine Weile in der Verwaltung eines Krankenhauses gearbeitet.
»Das kann ich nicht beschwören, Miss. Aber er wird noch irgendwelche Untersuchungen vornehmen, deren
Weitere Kostenlose Bücher