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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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kennen lernst. Ich würde ... was noch? Ich
würde auf jede mir zur Verfügung stehende Weise versuchen, die verlorenen Jahre
wieder gutzumachen.« Er lächelte langsam. »Und ich würde mir von dir jede
Einzelheit über Thomas und Beatrice Doyle und die Jahre deiner Kindheit
erzählen lassen, an die du dich erinnern kannst. Das ist es, was ich mir
wünschen würde.«
    »Dann
müsst Ihr es tun, Euer Gnaden«, sagte sie.
    Sie
sahen sich eine lange Zeit an, so schien es, bevor er sich erhob, auf sie
zuging und ihr eine Hand reichte. Sie stand auf, gab ihm ihre Hand und sah zu,
wie er sie an die Lippen führte.
    »Lily«,
sagte er. »Oh, mein Liebes. Mein Allerliebstes.«
    Sie zog
ihre Hand zurück, legte ihm die Arme um die Taille und den Kopf an seine
Schulter. »Er wird immer mein Papa bleiben«, sagte sie. »Aber von diesem Tag an
werdet Ihr mein Vater sein. Darf ich Euch so anreden? Vater?«
    Seine
Arme waren wie eiserne Bänder um sie. Sie war ein wenig beunruhigt, als sie das
erste, schmerzvoll klingende Schluchzen hörte, aber sie schloss ihre Arme enger
um ihn, als er sich zurückziehen wollte.
    »Nein,
nein«, sagte sie. »Es ist gut. Es ist alles gut.«
    Er
weinte nicht lange. Männer taten das nicht, das wusste sie aus Erfahrung. Sie
betrachteten es als Zeichen zutiefst peinlicher Schwäche, selbst wenn sie
gerade hatten zusehen müssen, wie ein enger Freund von einer Kanonenkugel in
tausend Stücke zerfetzt wurde, oder ihnen gerade von einem Chirurgen ein Bein
amputiert wurde - oder wenn sie soeben nach fast zwanzig Jahren ihre
Tochter gefunden hatten. Nach wenigen Minuten wandte er sich von ihr ab und
ging zum Fenster, wo er mit dem Rücken zum Zimmer stehenblieb und in ein großes
Taschentuch schnäuzte.
    »Es tut
mir so entsetzlich Leid, dir das zuzumuten«, sagte er. »Es wird nicht wieder
vorkommen. Du wirst mich stark und verlässlich finden, so glaube ich, Lily,
einen guten Fürsorger und einen guten Beschützer.«
    »Ja,
ich weiß, Vater«, sagte sie und blickte lächelnd zu seinem Rücken.
    Sie
hörte ihn einen tiefen Atemzug machen und einige Momente die Luft anhalten.
»Ich hätte in den letzten zwanzig Jahren einige Male jederzeit neu heiraten
können. Ich hätte eine Kinderstube voller Kinder haben können und wäre bis
heute tausendmal und mehr so angesprochen worden. Aber ich glaube, Lily, es
hat sich gelohnt, darauf zu warten, es aus deinem Mund zu hören.«
    »Wann
werden wir nach Rutland Park aufbrechen?«, fragte sie. »Ist es ein großes Haus?
Wird es mir gefallen Vater?«
    Er
drehte sich, um sie anzusehen. »So bald wie möglich«, sagte er. »Es ist größer als
Newbury Abbey. Du wirst es lieben. Es hat die ganzen Jahre auf dich gewartet.
Ich möchte Elizabeth fragen, ob sie dich nicht begleiten möchte. Heute ist
Donnerstag. Sagen wir Montag?«
    Lily
nickte.
    Er
lächelte sie an und schritt zum Klingelzug. Er befahl dem Diener, der auf sein Läuten
erschien, Lady Elizabeth zu bitten, baldmöglichst in den Salon zu kommen. Dann nahmen
beide wieder Platz und sahen sich an.
    Richtiger
wäre es, dachte Lily, zu sagen, dass er sie anstrahlte. Trotz der Blessuren in
seinem Gesicht machte er einen sehr glücklichen Eindruck. Sie behielt
absichtlich ihren freudigen Gesichtsausdruck bei - nicht, dass es
vollkommen gespielt war. Aber teilweise. Wie es schien, trat sie wieder einmal
in das Unbekannte ein, wie sie es in den vergangenen Jahren schon so viele Male
getan hatte.
    Sie
erinnerte sich, wie sie von London nach Newbury Abbey gereist war und gehofft
hatte, dass die lange Reise damit beendet sein würde. Sie erinnerte sich, wie
sie Neville zum ersten Mal nach fast anderthalb Jahren wiedergesehen und trotz
der widrigen Umstände das Gefühl erfahren hatte, endlich nach Hause gekommen zu
sein. Aber sie war nicht zu Hause gewesen. Und war es immer noch nicht. Sie
fragte sich, ob sie es je sein würde. Würde je der Moment kommen, in dem sie
spüren würde, dass sie endlich angekommen war, dass sie sich in Frieden für den
Rest ihres Lebens niederlassen konnte?
    Oder
war das ganze Leben eine Reise auf einem unbekannten Weg?
    »Kilbourne«,
sagte der Herzog, kurz bevor Elizabeth zurückkam, »bat mich, dich wissen zu
lassen, dass er heute Nachmittag beabsichtigt, dir einen Besuch abzustatten,
Lily - wenn du gewillt bist, ihn zu empfangen.«
    ***
    Einen Menschen zu
töten war gewiss nichts, wobei man Genuss empfinden konnte, dachte Neville
während der Nacht und des Morgens nach Calvin Dorseys

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