01 - Nicht ohne meine Tochter
ich schlug verbal zurück, obwohl ich wusste, dass alle Argumente vergebens waren. »Ihr seid ein Haufen Lügner!«, schrie ich. »Ihr wusstet alle schon vorher davon. Es war ein Trick. Ihr habt ihn seit Monaten geplant, und ich hasse euch alle!« Ich weinte jetzt heftig und schrie meine Worte heraus. »Eines Tages zahle ich euch das heim. Ihr habt den Islam für eure Zwecke benutzt, weil ihr wusstet, dass ich ihn respektieren würde. Eines Tages werdet ihr dafür bezahlen. Gott wird euch strafen!« Die ganze Familie schien sich nicht um meine Verwünschung zu kümmern. Sie tauschten verschwörerische Blicke und waren sichtlich davon angetan zu sehen, wieviel Macht Moody über diese amerikanische Frau hatte.
Mahtab und ich weinten stundenlang, bis sie endlich vor Erschöpfung in tiefen Schlaf fiel. Ich blieb die ganze Nacht wach. Mein Kopf dröhnte. Ich verachtete und fürchtete diesen Mann, der auf der anderen Seite des Bettes schlief. Zwischen uns wimmerte Mahtab im Schlaf, dass es mir fast das Herz brach. Wie konnte Moody nur so tief und fest neben seiner kleinen, so verängstigten Tochter schlafen? Wie konnte er ihr dies antun?
Ich hatte ja zumindest eine Wahl getroffen, aber die arme Mahtab hatte in dieser Angelegenheit nichts zu sagen. Sie war eine unschuldige Vierjährige, gefangen in den brutalen Realitäten einer seltsamen, getrübten Ehe, die sich irgendwie - ich verstand immer noch nicht ganz, wie - zu einem Melodrama entwickelt hatte, zu einer Randerscheinung im unergründlichen Verlauf der weltpolitischen Ereignisse. Die ganze Nacht lang machte ich mir Vorwürfe. Wie konnte ich sie hierher bringen? Aber ich kannte die Antwort. Wie konnte ich es nicht tun? So seltsam sich das auch anhörte, die einzige Möglichkeit, die ich gesehen hatte, Mahtab auf Dauer außerhalb des Irans zu halten, war eben die gewesen, sie für einen begrenzten Zeitraum hierher zu bringen. Und jetzt war auch dieser verzweifelte Versuch fehlgeschlagen. Ich hatte mich nie für Politik oder internationale Intrigen interessiert. Alles, was ich jemals gewollt hatte, war Glück und Harmonie für meine Familie. Aber in jener Nacht, als sich tausend Erinnerungen in meinem Gedächtnis abspulten, schien es, als wären auch die wenigen Monate des Glücks, die wir erlebt hatten, nicht frei von Schmerz gewesen.
Es war in der Tat Schmerz gewesen, der Moody und mich vor mehr als einem Jahrzehnt zusammengebracht hatte, ein Schmerz, der auf der linken Seite meines Kopfes begann und sich schnell über den ganzen Körper ausbreitete. Im Februar 1974 quälten mich Migräneanfälle, die Schwindel, Übelkeit und ein allgemeines Gefühl von Schwäche mit sich brachten. Es tat entsetzlich weh, auch nur die Augen zu öffnen. Schon das kleinste Geräusch jagte mir Schmerzkrämpfe den Nacken und die Wirbelsäule hinunter. Nur mit starken Medikamenten konnte ich schlafen. Die Beschwerden waren besonders unangenehm, weil ich glaubte, jetzt endlich, im Alter von achtundzwanzig Jahren, in der Lage zu sein, mein eigenes Leben zu beginnen. Ich hatte direkt von der Schulbank weg geheiratet und mich in einer lieblosen Verbindung befunden, die mit einer langwierigen, schwierigen Scheidung endete. Aber dann begann für mich eine Phase der Stabilität und des Glücks, und zwar als direktes Ergebnis meiner eigenen Anstrengungen. Mein Job bei ITT Hancock in der Kleinstadt Elsie, mitten im Herzen von Michigan, verhieß Aussichten auf eine Karriere im Management. Ursprünglich war ich eingestellt worden, um in Nachtschicht Rechnungen auszustellen, und ich hatte mich bis in meine jetzige Position hochgearbeitet, in der ich dem gesamten Büropersonal vorstand und dem Betriebsleiter direkt unterstellt war. Mein Gehalt reichte aus, um ein bequemes, wenn auch bescheidenes Heim für mich und meine Söhne Joe und John zu unterhalten. Bei der örtlichen Vereinigung der an Muskelschwund Erkrankten hatte ich eine dankbare ehrenamtliche Tätigkeit gefunden. Ich half dabei, ihre über das Jahr verteilten Aktivitäten zu koordinieren, die dann schließlich in der Jerry-Lewis-Fernseh-Marathon-Sendung gipfelten. Am vergangenen ersten Mai war ich in Lansing im Fernsehen aufgetreten. Ich fühlte mich gut und genoss meine neu erworbene Fähigkeit, mein Leben selbst zu meistern.
Alles deutete auf Fortschritt hin, auf den vagen aber dennoch wirklichen Vorsatz, den ich als Teenager gefasst hatte. Um mich herum sah ich eine Menge Arbeiter, Männer und Frauen, die sich meiner
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