01 - Nicht ohne meine Tochter
Hand hielt, ein kleiner Verstoß gegen schiitische Sitten. Er war nachdenklich und traurig. »Etwas ist geschehen, bevor wir von zu Hause abgereist sind.«, sagte er. »Du weißt davon noch nichts.« »Was?« »Ich bin entlassen worden.« Ich zog meine Hand weg, denn ich argwöhnte einen Trick, witterte Gefahr, spürte, wie meine Ängste wiederkehrten. »Warum?« fragte ich. »Die Klinik wollte jemanden für viel weniger Gehalt an meine Stelle setzen.« »Du lügst!«, sagte ich giftig. »Das stimmt nicht.« »Doch, es ist die Wahrheit.« Wir setzten uns auf den Rasen und redeten weiter. Ich sah ln Moodys Gesicht die Anzeichen der tiefen Depression, die ihn in den letzten zwei Jahren gequält hatte.
Als junger Mann hatte er seine Heimat verlassen, um im Westen sein Glück zu suchen. Er hatte hart gearbeitet, sich sein Studium selbst verdient und schließlich seinen Abschluss als Chiropraktiker gemacht. Er hatte sich als Anästhesist spezialisiert und niedergelassen. Zusammen hatten wir seine Praxis geführt, zuerst in Corpus Christi, später in Alpena, einer kleinen Stadt im nördlichen Teil von Michigans südlicher Halbinsel. Wir hatten gut gelebt, bis der Ärger begann. Ein großer Teil davon war selbstgeschaffen, obwohl Moody dazu neigte, das nicht zu sehen. Einige der Schwierigkeiten entstanden durch rassistische Vorurteile; andere durch Pech. Was immer die Ursache war, Moodys Einkommen war kräftig gesunken, und seine Berufsehre war schwer angekratzt. Wir waren gezwungen, Alpena, die Stadt, die uns so lieb war, zu verlassen.
Er war seit über einem Jahr m der Klinik in der Vierzehnten Straße in Detroit beschäftigt, eine Arbeit, die er erst angenommen hatte, nachdem ich ihn angetrieben hatte. Nun war die anscheinend auch weg. Aber die Zukunft sah keineswegs düster aus. Dort im Park wischte ich mir die Tränen ab und versuchte, ihn zu trösten. »Das macht doch nichts.«, sagte ich. »Du kannst eine andere Stelle finden, und ich arbeite auch wieder.« Moody war untröstlich. Sein Blick wurde trübe und leer, wie bei so vielen anderen Iranern.
Später am Nachmittag begannen Mahtab und ich ein aufregendes Abenteuer: packen! Das, was wir mehr als alles andere auf der Welt wollten, war nach Hause zu kommen. Ich wollte noch nie so verzweifelt von irgendwo fort. Nur noch ein einziges iranisches Abendessen!, sagte ich mir. Nur noch ein Abend unter Leuten, deren Sprache und Sitten ich nicht verstand. Irgendwie mussten wir in unserem Gepäck Platz finden für all die Schätze, die wir angehäuft hatten, aber es war eine freudige Aufgabe. Mahtabs Augen leuchteten vor Glück. Morgen, das wusste sie, würden sie und ihr Hase auf einem platz im Flugzeug für den Heimflug festgeschnallt werden.
Ein Teil von mir fühlte mit Moody. Er wusste, dass ich seine Heimat und seine Familie verabscheute, und ich sah keinen Grund, diese Tatsache auch noch dadurch zu betonen, dass ich meiner großen Freude über das Ende des Urlaubs Ausdruck verlieh. Dennoch wollte ich, dass auch er sich fertig machte. Als ich in dem kleinen, kargen Zimmer nachschaute, ob ich irgendetwas vergessen hatte, bemerkte ich, dass er auf dem Bett saß und immer noch grübelte. »Komm schon,«, sagte ich, »lass uns unsere Sachen zusammenpacken.« Ich warf einen Blick in den Koffer voller rezeptpflichtiger Medikamente, die er mitgebracht hatte, um sie hier den Ärzten zu schenken. »Was willst du damit machen?« fragte ich. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Warum schenkst du sie nicht Hossein?« schlug ich vor. Baba Hadschis und Ameh Bozorgs ältester Sohn war ein erfolgreicher Apotheker. In der Ferne klingelte ein Telefon, aber ich achtete kaum auf das Geräusch. Ich wollte mit dem Packen fertig werden. »Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich damit mache«, sagte Moody. Seine Stimme war weich, weit weg. Er wirkte nachdenklich. Bevor wir uns weiter unterhalten konnten, wurde Moody zum Telefon gerufen, und ich folgte ihm in die Küche. Der Anrufer war Madschid, der losgefahren war, um unseren Flug bestätigen zu lassen. Die beiden Männer sprachen ein paar Minuten lang zusammen in Farsi, bevor Moody auf Englisch sagte: »Da sprichst du besser mit Betty.« Als ich meinem Mann den Hörer aus der Hand nahm, durchschauerte mich eine Vorahnung. Plötzlich schien sich alles zu einem entsetzlichen Mosaik zusammenzufügen.
Moodys überwältigende Freude beim Wiedersehen mit seiner Familie und seine offensichtlichen Sympathien für die
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