01 Nightfall - Schwingen der Nacht
seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Glauben Sie an Vampire, Agent Wallace?«
»Nein. Aber ich habe den Eindruck, Dante glaubt an sie.«
De Noir öffnete die Augen. Sie blitzten golden. »In der Tat«, flüsterte er. Er machte Dantes Stiefel auf und zog sie ihm von den Füßen. Beide fielen mit einem dumpfen Schlag auf den Boden.
»Er hält sich für unverwundbar, und das könnte ihn das Leben kosten«, sagte Heather und trat vorsichtig an den Futon heran.
De Noir sagte nichts. Die Hand an Dantes Schläfe strich durch dessen zerzaustes schwarzes Haar, dann zog sie sich zurück.
»Das werde ich nicht zulassen«, sagte De Noir. Er wandte sich von ihr ab.
Sie starrte ihn an, erstaunt über seine fehlende Angst. Sie trat zu ihm und berührte seinen Unterarm. Die Haut fühlte
sich hart und kalt wie Marmor an. Doch in ihr loderte ein Feuer, das ihre Muskeln verkrampfte.
»Irgendwo da draußen ist ein Mann, der … der sich darauf freut, ihn foltern zu können«, sagte sie, wobei ihre Stimme hart klang. »Ihn zu schänden, zu verstümmeln, zu ermorden. Das ist nichts, das Sie kontrollieren können, Mr. De Noir. Sie haben da gar nichts zu melden.« Sie ließ seinen Arm los.
De Noir stand eine Weile lang still da. Einige Strähnen seines langen Haars umwehten seinen Kopf. Ein kaum sichtbares blaues Licht blitzte um ihn auf. Heathers Haut kribbelte. Der scharfe Geruch von Ozon erfüllte plötzlich die Luft. Dante regte sich auf dem Futon. Plötzlich schien er ruhelos zu sein, und sein blasses Gesicht wirkte angespannt. Silver tauchte wieder in der Tür auf, seine leuchtenden Augen waren argwöhnisch.
Dann war alles wieder verschwunden, als hätte ein jäher Donnerschlag oder eine Implosion alle Luft aus dem Zimmer gesogen. Kein blaues Licht. Kein wehendes Haar. Nur ein großer Mann, der regungslos neben einem Bett stand. Etiennes Stimme flüsterte in Heathers Bewusstsein: die Gefallenen.
»Ich werde es nicht zulassen«, wiederholte De Noir. Er beugte sich hinunter und zog die Decke über Dantes Körper. Dann setzte er sich an den Rand des Futons und berührte den jungen Mann erneut an der Schläfe.
»Gute Nacht, Agent Wallace«, grollte De Noir.
Heather schritt aus dem Zimmer, vorbei an Silver, und ihr Körper war so hart wie ihre Fäuste. Sie hatte Dante versprochen, ihn zu beschützen, und das hatte sie auch so gemeint. De Noir konnte sich seine gute Nacht in den Arsch schieben. Sie trottete die Treppe hinunter, wobei eine Hand über das polierte Holzgeländer glitt.
Als sie wieder in den Salon kam, sah Simone von einem Sessel auf. In ihrem Schoß lag ein Buch. Jordan lag noch
immer auf der Couch, eine Hand hing auf den Boden, sein Mund stand leicht offen.
»Danke, dass Sie ihn im Auge behalten haben«, sagte Heather.
Simone klappte ihr Buch zu und stand auf. »Ich wollte schon länger mal wieder in Ruhe lesen«, sagte sie achselzuckend. »Wie geht es Dante?«
Heather schüttelte den Kopf. »Er ist noch besinnungslos, aber zumindest hat das Nasenbluten aufgehört. Mr. De Noir meint wohl, er braucht nur etwas Ruhe.«
»Aha«, brummte die Blondine. Sie wirkte besorgt. »Ich glaube nicht, dass es Ruhe ist, was er braucht«, meinte sie dann und ging in Richtung Flur.
»Seit wann kennen Sie Dante?«, fragte Heather.
»Seit drei, vier Jahren.«
»Werden seine Kopfschmerzen schlimmer?«
Simone blieb auf der Schwelle stehen. » Oui. Warum fragen Sie?« Sie warf einen Blick über die Schulter. Ihre Miene wirkte wachsam und verschlossen.
»Er braucht Hilfe …«
»Wir werden ihm helfen«, sagte Simone. »Sie können das nicht. Er hat Ihnen die Wahrheit gesagt, M’selle. Er ist ein Nachtgeschöpf.« Simone verließ das Zimmer.
Seufzend sank Heather in den Sessel, der der Couch gegenüber stand, und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Diese Leute waren anscheinend alle verrückt und litten unter Wahnvorstellungen.
Oder sie waren alle Vampire. Wie um Himmels willen sollte das nur in ihrem Bericht schreiben?
Der Befragte verweigert eine Schutzhaft, da er Vampir ist. Als ich ihm mitteilte, dass Serienmörder in der Lage sind, einen Pfahl durch ein Herz zu rammen, lachte er nur. »Stellen Sie die Falle auf«, erklärte er.
Heather ließ die Hände sinken. Sie starrte auf den Boden, ihr Puls raste. Eine Falle stellen. Vampir oder nicht – sie war bisher höchstens bereit, die Möglichkeit einzuräumen, dass er ein Vampir war –, würde das funktionieren? Konnte sie nach drei Jahren dieses Monster zur Strecke
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