01 Nightfall - Schwingen der Nacht
einem Sessel neben der Couch, die Beine über der Armlehne. Simone stand in der Nähe des Eingangsbereichs, neben ihr ein junger Mann mit taillenlangen Dreadlocks, der sich die Brille auf die Stirn hochgeschoben hatte. Simone nickte Heather zu. »Mein Bruder Trey«, stellte sie ihn vor.
»Hi, Trey«, brummte Heather. »Könnte jemand diesen Kerl im Auge behalten, während ich kurz mit Dante spreche?« Ihr Blick wanderte von Simone zu De Noir.
»Mache ich«, sagte De Noir. »Aber fassen Sie sich kurz, Agent Wallace.«
»Lassen Sie mich sofort wissen, wenn der Bursche zu sich kommt«, sagte Heather. Sie ging in die Küche.
Dort saß Dante am Tisch, einen Kaffeebecher und eine Flasche Cognac vor sich.
»Hören Sie«, sagte Heather. »Ich weiß, dass Sie Musikmagazinen und so kaum Interviews geben, und ich wollte auch nicht Ihre Integrität infrage stellen …«
»Vergessen Sie es«, unterbrach Dante sie und zuckte die Achseln. »Ist unwichtig.«
Heather setzte sich an den Tisch ihm gegenüber. Sie sah, dass wieder Dampf aus ihrem Becher aufstieg, und vermutete, dass Dante den Kaffee in der Mikrowelle aufgewärmt hatte. Sie musste grinsen.
»Also … Sie meinten, ich habe einen Stalker? Einen Serienmörder? « Dante schüttete Cognac in seinen Kaffee. Er warf Heather einen fragenden Blick zu und hob dabei die Flasche.
Sie schüttelte den Kopf. »Das nehme ich an. Aus irgendeinem Grund muss er auf Sie fixiert sein. Vielleicht ist er ja ein Fan.«
Heather nahm einen Schluck von dem Zichorienkaffee mit Milch und Zucker. Sie sah Dante zu, wie er Cognac in seinen Becher rührte, und bemerkte die Anspannung in seinen Schultern. Er schien zu spüren, dass sie ihn beobachtete, und seine Miene wirkte vorsichtig.
»Kannten Sie Daniel Spurrell?«, fragte sie. »Das Opfer aus dem Hof der Pizzeria«, erklärte sie, als Dante die Stirn runzelte.
»So hieß er? Daniel?« Dante schüttelte den Kopf. »Ich hatte ihn im Club gesehen, und wir haben uns über das letzte Album von Inferno unterhalten, aber gekannt habe ich ihn nicht.«
»Wie lange kannten Sie Gina?«
Dante wandte den Blick ab und klammerte sich an seinen Becher. »Kannten? Es fällt mir noch immer schwer, von ihr in der Vergangenheit zu sprechen.«
»Ich weiß, dass das schwierig ist, aber ich muss das fragen.«
Dante fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und kippte ihn nach hinten. »Wir haben uns etwa so … na ja … sechs Monate oder so gekannt. « Er sah auf. »Mit Daten und Zeiten war ich noch nie gut.«
»Also waren Sie beide … Sie und Gina … zusammen? Ein Paar?«
Dante nahm einen großen Schluck Kaffee mit Cognac. »Nein. Wir waren Freunde. Sie hat … verdammt – hatte – einen Freund.«
»Wissen Sie, was der Satz ›Wach auf S‹ bedeuten könnte?«
Dantes Muskeln spannten sich an, und er schloss die Augen. »Nein«, wisperte er kaum hörbar.
Heather stellte ihren Kaffee auf den Tisch. Sie hasste diesen Teil ihrer Arbeit, dieses Herumstochern und Nachbohren bei einem Trauernden, dieses Wiedererwecken des Schmerzes. Sie wusste, wie weh es tat, wenn einem bewusst wird, dass ein geliebter Mensch getötet wurde. Dass er nicht im Schlaf oder auch durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen war. Er war ermordet worden, jemand hatte sein Leben absichtlich beendet, und er würde nie mehr zurückkommen. Nie mehr.
Genau wie ihre Mutter.
Sie griff über den Tisch hinweg nach Dantes Hand. Er sah auf, sie erstarrte, und ihr Atem stockte. Sie fühlte sich in seine dunklen Augen gesogen wie Blut in eine Kanüle. Ihr Herz flatterte kolibrischnell, als sie den Blick mühsam abwandte und ihre Hand zurückzog, um ihren eigenen Becher wieder mit zitternden Fingern zu umfassen.
Was hatte er nur an sich? Er war natürlich sehr gut aussehend, aber sie war kein Teenager mehr. Sie war sogar sicher, dass sie einige Jahre älter war als er. Warum zum Teufel verschlug
es ihr dann die Sprache, und ihr Herz begann wie verrückt zu pochen?
Heather streckte die Hand nach der Cognacflasche aus, die Dante ihr daraufhin reichte. Ihre Finger berührten die seinen, und ein elektrischer Schlag schoss von ihrer Hand in ihren Bauch. Fast hätte sie die Flasche fallen gelassen.
»Sie meinten, Gina hätte einen Freund gehabt«, fuhr sie fort und goss sich etwas Cognac in den Kaffee. »Glauben Sie, er … wie heißt er eigentlich? … na ja, dass er …«
»Niemals! Jay liebt … liebte sie.«
Heather blickte von ihrer Tasse auf
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