01 - Schatten der Könige
Mogaun-Häuptlingen. Einmal hatte sein Vater ihn gebeten, sich zu ihm zu setzen, und er hatte ihm erzählt, wie sehr er sich wünschte, ebenso wie seine Adeligen nach dem Fall des Kaiserreichs über das Meer nach Keremenchool geflohen zu sein. Aber er hatte sich entschieden zu bleiben und sich zwischen das gemeine Volk und die Mogaun zu stellen. So wollte er versuchen, seine Leute vor dem Schlimmsten zu beschützen.
Sein Vater. Taurics Tränen tropften auf seinen geschienten, amputierten Arm. Doch selbst diese Erinnerung war ihm genommen worden, nachdem ihm Erzmagier Bardow und Shin Hantika von seinem wahren Vater erzählt und ihn über die fürchterliche Verantwortung aufgeklärt hatten, die er jetzt allein tragen musste.
Jemand trat zu ihm und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben ihn. Es war die Erden Schwester Pirica, die Ratgeberin der Äbtissin Halimer, eine Frau mit rundem Gesicht von mittleren Jahren. Sie trug eine kurze, graue Kutte und eine dicke Baumwollhose. Sie hielt ihm eine Holzschüssel mit Eintopfund einem Löffel hin. Tauric nahm die Speise dankbar an, balancierte die Schüssel auf einem Knie und aß. Er war fast fertig, als sie ihn ansprach. »Schmeckt es?«
Er hatte den Mund voll und nickte nur.
»Schön. Also, wer war König von Mantinor, als der Jefren-Bund gegründet wurde?« Tauric unterdrückte ein Stöhnen. Seit sie vor vier Tagen Krusivel verlassen hatten, unterzogen ihn Pirica und Himber, ein Scholar und Bardows Berater, einer endlosen Reihe von Lektionen und Fragen über die Geschichte und Kultur des Khatrimantinischen Kaiserreiches und seiner Vorgänger. Vieles war ihm bekannt, vor allem, wenn es um Khatris und die südlichen Königreiche ging. Seine Kenntnisse von den nördlichen Reichen waren jedoch ein wenig lückenhaft.
Pirica lächelte abwartend.
»Ehm, Tavalir der … Zweite.«
»Der Dritte. Wer war sein Oberster Berater?«
Tauric fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. »Akroom?«
»Okroom von Bhanav. Wer hat welche Armee am Pass von Rahl ins Verderben geschickt?« Das wusste er. »Die goldene Phalanx.«
Die Erden Schwester nickte zufrieden. Er löffelte rasch die Schüssel leer und stellte sie dann zur Seite. »Einige der Namen und Orte werden Euch unbekannt sein«, sagte Pirica. »Doch für die Menschen aller Königreiche sind sie ein Teil ihres Lebens, starke Fäden in den Gobelins der Vergangenheit und Zukunft.« Sie lächelte milde. »Ihr haltet Euch gut.«
»Danke, Erden Schwester«, erwiderte Tauric. »Wird Shin Himber mich heute ebenfalls befragen?« »Nein. Sein Rücken schmerzt ihn wieder, sodass er sich früh zur Ruhe begeben hat.« Sie deutete auf eine Gestalt unter einer Decke, die in einer schattigen Ecke lag. »Aber es könnte ratsam sein, die Schriftrollen zu studieren, die er Euch gegeben hat. Damit Ihr auf morgen vorbereitet seid.« Sie raffte ihre kurze Kutte und stand auf. »Die Rollen, die ich Euch gab, mögt Ihr vielleicht ebenfalls noch einmal durchlesen.«
Tauric wartete, bis sie auf die andere Seite des Saals gegangen war, bevor er einen Seufzer ausstieß. Dann griff er nach dem kleinen braunen Packen, in dem er seine wenigen Habseligkeiten verwahrte, und zog ein dünnes Buch heraus. Es bestand aus zerlesenen Seiten zwischen zwei harten Deckeln aus Steinholz. Ihre Oberflächen waren vom Gebrauch schon deutlich abgenutzt. Er legte das Buch auf die Knie und las die Worte, die in den Frontdeckel eingraviert waren.
Die Wurzeln des Kaiserreiches: Ein Diskurs über die Monarchien, welche für die Bildung des Khatrimantinischen Kaiserreiches von
Bedeutung waren.
Er schlug das Buch bei dem Kapitel über die Stämme von Kejana auf. Doch nach kurzer Zeit blätterte er zum Anfang zurück und las erneut die Geschichte von Orosiada von Ebro'Heth, dem legendären König, welcher die einzelnen Königreiche gegen die Dämonenbrut geeint hatte. Orosiada hatte seine linke Hand im Kampf gegen die schrecklichen Ungeheuer verloren, die sich auf sein Reich stürzten. Dennoch hatte er überlebt und scharte zunächst sein eigenes Volk und dann auch alle anderen Könige um seine Fahne. Schließlich besiegte er die Eindringlinge in den Hochebenen von Prekine und zwang sie zur Rückkehr ins Reich der Ruinen. Den Magiern und Bannwirkern, welche entscheidenden Anteil an diesem Sieg hatten, wurde die Provinz von Prekine als ständiger Zufluchtsort und Heim verliehen, jedoch unter der Bedingung, dass sie dort die Macht der Wurzel und die Niedere Macht erforschen und
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