01 - So nah am Paradies
zerstören."
Sie biss in den Apfel. „Und Terence hat erst drei oder vier Monate später von der Heirat erfahren. Er hat mir einen Kristallvogel aus Osterreich geschickt."
„Terence, Ihr Bruder, Ihr älterer Bruder. Ich habe kaum Informationen über ihn."
„Warum auch? Ich bezweifle, dass das für diesen Fall von Bedeutung ist. Er hat Chuck nie kennengelernt."
„Und dann kamen die Rennplätze. Manche Leute könnten es als eine merkwürdige Art von Flitterwochen bezeichnen."
In gewisser Hinsicht konnte das ganze erste Jahr als Flitterwochen bezeichnet werden. Doch andererseits hatte es nie Flitterwochen gegeben, im Sinne von Zurückgezogenheit, in der zwei Menschen sich aneinander gewöhnen und sich kennenlernen können. „Ich bin auch vorher herumgezogen." Sie zuckte die Schultern. „Ich bin sogar in der Atmosphäre des Herumziehens zur Welt gekommen.
Dad hat meine Mutter in Duluth aus dem Zug geholt und zwanzig Minuten vor ihrer Niederkunft ins Krankenhaus gebracht. Zehn Tage später zogen wir schon wieder weiter. Mit Ausnahme von der Farm hier habe ich mich an keinem Ort länger als sechs Monate aufgehalten. Das Reisen war ich also gewöhnt."
„Nur sind die Rennplätze aufregender."
„In gewisser Hinsicht. Doch wie im Showgeschäft ist auch dort viel Schweiß und Training erforderlich, um wenige Minuten im Rampenlicht stehen zu können."
„Warum haben Sie ihn geheiratet?"
Sie erwiderte ruhig seinen Blick. Doch ihr Lächeln wirkte etwas wehmütig. „Er war der Ritter auf dem weißen Schimmel. Und ich habe immer an Märchen geglaubt."
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4. KAPITEL
lana Rockwell war nicht ehrlich. Dorian brauchte keinen Lügendetektor, um zu wissen, dass Alana in ihren Gesprächen immer wieder von der Wahrheit abschwenkte. Sie tat es ganz ruhig und sah ihn offen dabei an. Doch er spürte es an einer winzigen Veränderung ihres Tonfalls und am kaum
wahrnehmbaren Zögern.
Lügen machten Dorian nichts aus, er erwartete sie bei seiner Arbeit direkt. Die Menschen logen aus den verschiedensten Gründen: aus Selbstschutz oder Verlegenheit oder aus dem Bedürfnis, sich selbst ins beste Licht zu stellen. Es war seine Aufgabe, die Schatten zu finden. Der Grund für eine Lüge verriet ihm häufig mehr als die platte Wahrheit.
Sein Hauptproblem mit Alana war, dass er den Grund ihrer Lügen nicht verstand. Warum lügen, wenn die Wahrheit zweifellos das Buch zu einem größeren Verkaufsschlager machte? Sensationen waren immer verkaufsfördernder als trautes Familienleben. Sie hatte ihre Ehe zwar nicht als reinste Idylle beschrieben, doch es war ihr immer wieder gelungen, über problematische Themen hinwegzuhuschen.
Und davon gab es genug.
Dorian suchte sich einige Kassetten heraus. Es war kurz nach Mitternacht, aber das war er gewöhnt.
Er ließ sich nie von Zeitplänen einengen. Er hasste einengende Arbeitsbedingungen, es sei denn, er stellte sie selbst auf. Wenn er wollte, konnte er den ganzen Tag durcharbeiten oder auch die ganze Nacht. Auf die Arbeitszeit kam es nicht an, nur auf die Ergebnisse.
Dorian hatte schon verschiedene Leute über Charles Rockwell interviewt. Es gab die unterschiedlichsten Meinungen und Gefühle über den Rennfahrer, aber keine davon war als objektiv anzusehen. Entweder hatten die Menschen Rockwell verehrt, oder sie hatten ihn gehasst. Dorian nahm die Kassette, die mit „Stanholz" gekennzeichnet war, und schob sie in den Rekorder.
Grover P. Stanholz, reicher Rechtsanwalt aus Chicago, mit Liebe zum Rennsport und persönlichen Beziehungen zu den Rockwells, war zehn Jahre lang Chucks väterlicher Freund und Berater gewesen und hatte seine Karriere von Anfang an gefördert.
Doch gut ein Jahr
vor dem Unglück hatte Stanholz sich von seinem berühmten Schützling getrennt.
Nachdenklich spulte Dorian die Kassette vor, bis er eine bestimmte Stelle gefunden hatte.
„Rockwell war ein Gewinner, der Geld einbrachte, und ein Freund."
Dorian drehte die Lautstärke herunter, sodass seine eigene Stimme aus dem Lautsprecher nicht weiter als bis zum Ende des Schreibtisches reichen konnte.
„Warum haben Sie sich dann von ihm getrennt?"
Es folgte eine lange Stille, dann ein Rascheln.
Dorian erinnerte sich, dass Stanholz eine Zigarre herausgezogen und sich Zeit beim Auspacken gelassen hatte.
„Wie schon gesagt, mein Interesse an Chuck bezog sich nicht nur aufs Finanzielle. Ich war ein enger Freund seines Vaters gewesen und ein Freund seiner Mutter." Es folgte erneut Schweigen, als Stanholz sich
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