01 - Suche bissigen Vampir furs Leben
man sich irgendeine Marotte in den Kopf gesetzt hat von wegen Partnervermittlung ...“
Ein Traum, beruhigte ich mich selbst. Ich schlief immer noch den Schlaf der Toten, und die Stimme, die in meinem Kopf widerhallte, gab es nur in meiner Fantasie. Kein anständiger, respektabler, vernünftiger Vampir würde vor Sonnenuntergang auf den Beinen sein -
Kaum hatte ich diesen Gedanken gedacht, riss ich die Augen auf.
Hey, schließlich reden wir hier von meiner Mutter.
„... aber es ist dein Leben und du musst es so leben, wie du es für richtig hältst. Auch wenn ich nicht einmal ansatzweise begreife, wie du wohl in dieser beengten, armseligen Bruchbude, die du Wohnung nennst, glücklich sein kannst. Doch wenn du deinem Vater unbedingt das Herz brechen willst, dann ist das deine Sache.
Aber wenigstens könntest du dich mal mit dem Finanzberater deines Vaters treffen. Es wäre wirklich richtig gut für dich. Ruf mich an, dann erzähl ich dir mehr.“ Klick.
Ich schielte auf die Uhr, die neben der Schlafzimmertür auf dem Boden stand.
Mir blieben immer noch fünfzehn gesegnete Minuten, und das wussten meine Augenlider auch. Sie zuckten, während sie sich langsam wieder über meine Augen senkten.
Ich kämpfte gegen den Drang an, meinen Kopf unter dem Kissen zu vergraben, und wickelte mich aus den Laken. Meine Gedanken zum Verhalten anständiger, respektabler, vernünftiger Vampire kamen mir in den Sinn, aber die verdrängte ich ganz schnell wieder. Das war schließlich etwas ganz anderes, weil ich nämlich niemandem auf die Nerven ging.
Ich stolperte auf das kleine Fenster zu, das links von meinem Bett lag. Darauf bedacht, mich seitwärts davon zu halten, zog ich an der Schnur und ließ das schwere, undurchsichtige Rollo hoch. Schwaches Sonnenlicht flutete das Zimmer. Ich drehte mich um und tauchte wieder zwischen die Bettlaken. Mit dem Rücken gegen das Kopfende gelehnt, zog ich meine Knie an die Brust, zog die Decken hoch und starrte am Fußende meines Bettes vorbei auf den Spiegel, der mir genau gegenüber an der Wand hing.
So sieht's aus .. Wenn ich auch nicht im direkten Tageslicht draußen herumspringen kann, so ist es doch etwas vollkommen anderes, auf seine Reflexion im Spiegel zu schauen.
Eine rasche Bemerkung zu gebürtigen Vampiren und Spiegeln: Ja, wir können uns im Spiegel sehen. Aber ob wir das auch wollen, das ist eine ganz andere Sache. Ich persönlich achte darauf, mich von meinem fernzuhalten, bis ich wenigstens ein volles Glas 0 positiv zu mir genommen und ein bisschen Lippenstift aufgetragen habe.
Orangefarbenes Glühen krönte das Gebäude neben dem meinen. Ich beobachtete während der nächsten Minuten, wie es langsam immer tiefer und tiefer sank. Auf diese Weise hatte ich den Sonnenuntergang schon viele Male betrachtet (immerhin bin ich fünfhundert Jahre alt und Spiegel gibt es schon seit einer halben Ewigkeit), und jedes Mal verspürte ich ein seltsames Gefühl des Verlusts, wenn das Sonnenlicht vollkommen verschwunden war.
Nicht dass ich das für eine große Sache hielt. Oder mich in irgendeiner Weise herabgesetzt fühlte. Ich war jemand ganz Besonderes - Bildung vom Feinsten, ewige Jugend und das ganze Zeug - und soweit es mich betraf, war Tageslicht nichts als nervtötend und lästig und dabei so überflüssig wie ein Kropf.
Es war nun wirklich nicht so, als ob ich mich am Ende noch fragen würde, wie es wohl sein würde, draußen zu stehen und die Sonne warm auf meinem Gesicht zu spüren.
Okay, manchmal vielleicht schon. Aber ich habe mich schließlich auch schon gefragt, wie es wohl wäre, ein Duett mit Mozart zu spielen, für Botticelli Modell zu stehen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu heiraten (vor dieser ganzen Lewinsky-Affäre) und beim Super Bowl die Nationalhymne zu singen. Das sind nichts als kurze, flüchtige Das-passiert-sowieso-nicht-Gedanken. Manchmal ganz nett, aber die haben mit meinem wirklichen Ich nicht das Geringste zu tun.
Ich bin vollkommen glücklich und zufrieden.
Das Telefon klingelte, bevor ich noch weiter über dieses Thema nachdenken konnte - zum Glück. Ich schnappte es mir.
„Hey.“
„Lil?“
Die Stimme meiner Mutter drang an mein Ohr und ich verpasste mir in Gedanken eine Ohrfeige, dass ich nicht zuerst die Anruferkennung gecheckt hatte. Aber ich hatte gerade einen ernsthaften Augenblick durchgemacht, und ernsthaft liegt mir nun mal nicht wirklich.
„Es wird aber auch mal Zeit, dass du ans Telefon gehst.“
„Hab nur Spaß
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