01 - Tage der Sehnsucht
Fiona wandte sich wieder von ihm ab, um mit
ihnen zu sprechen.
In der nächsten
halben Stunde fand Mr. Sinclair nichts an Fiona auszusetzen. Sie lachte,
unterhielt sich über Fächer und Mode, verteilte bewundernde Blicke und
bezauberte durch die Anmut ihres Körpers. Mr. Sinclair rieb sich die Hände.
Bald würden ihn einige Herren aufsuchen und um Fionas Hand bitten.
Dann entdeckte Mr.
Sinclair ein vertrautes Gesicht. Es gehörte einem offenbar gerade
eingetroffenen alten Mann. Er trug eine altmodische Perücke. Auch seine
goldgrün gestreifte Jacke stammte aus einer Zeit, als die Mode noch
farbenfroher war. »Sir Andrew Strathkeith!« rief Mr. Sinclair aus. Er war Sir
Andrew vor etwa zehn Jahren am Obersten Gericht in Edinburgh begegnet, Damals
hatte Mr. Sinclair einen Räuber erfolgreich in einem Prozess verteidigt, in dem
Sir Andrew als Zeuge aufgetreten war.
Sie hatten sich in
die nächste Taverne begeben, um eine Flasche Bordeaux zu trinken, und sich als
Freunde wieder getrennt. Aber aus irgendeinem Grund hörte Mr. Sinclair nie mehr
etwas von Sir Andrew.
Auch dieser
bemerkte jetzt Mr. Sinclair, und sein runzeliges Gesicht hellte sich auf. Er
winkte. Mr. Sinclair durchquerte schwerfällig, aber vergnügt den Raum, ohne im
geringsten zu bemerken, dass Mr. Pardon sich eben Fiona genähert hatte.
»Ich habe gerade
meine Bekanntschaft mit Ihrem Vater erneuert«, sagte Mr. Pardon.
»Ihre Sympathie für
meinen Vater ist sehr erfreulich.« Fiona lächelte. »Wirklich, wie Sie ihm Ihre
Zuneigung gezeigt haben, war geradezu überwältigend.«
Mr. Pardon errötete
vor Zorn. »Ich habe das Zimmer verwechselt.«
Fiona warf ihm
einen verständnislosen Blick zu. »Was für ein Zimmer?«
»Ich dachte, es sei
Mrs. Leechs Zimmer.«
Fiona gab sich
verwundert. »Anscheinend verstehe ich Sie nicht ganz, Mr. Pardon. Sie erzählen
mir, Sie dachten, es sei Mrs. Leechs Zimmer, ich dagegen glaubte, wir sprächen
über Ihre Zuneigung zu meinem Vater. Wovon reden Sie nun eigentlich?«
Die anderen Männer
um Fiona herum blickten amüsiert, als der normalerweise gelassene und gewandte
Mr. Pardon errötete und zu stammeln anfing. »Ich werde Ihnen das ein andermal
erklären«, erwiderte er, verbeugte sich und ging. Fionas perlendes Lachen
verfolgte ihn durch den Raum.
So ein Luder,
dachte Mr. Pardon. Sie wagt es, mich lächerlich zu machen! Nun, in mir trifft
sie auf keinen gewöhnlichen Gegner. Ich brauche nur die kartenspielenden Damen
von London, die sie gerupft hat, ein bisschen aufzuhetzen. Und dann wollen wir
doch mal sehen, was aus Ihnen wird, Miß Fiona Sinclair.
Siebtes Kapitel
»Warum hast du mich von ihr weggezogen?«
fragte der sonst immer heitere Mr. Masters ärgerlich. »Alle Achtung, sie hat
Brummells Charakter sehr gut erkannt. Aber bevor wir überhaupt ins Gespräch
kamen, hast du dich schon verabschiedet.«
»Dann geh
meinetwegen zu ihr zurück«, erwiderte Lord Harrington. »Ich gebe zu, dass ich
ein wenig unhöflich war. Aber plötzlich hatte ich das Gefühl, ich könnte meine
Zeit einfach nicht mehr damit vertun, immer wieder einer neuen Schönheit den
Hof zu machen.«
Mr. Masters sah
seinen Freund verwundert an. »Das finde ich aber höchst merkwürdig, dass du
plötzlich so heftig reagierst. Im allgemeinen machst du dir doch gar nicht viel
aus solchen Schönheiten. Ich gehe jetzt zurück. Mir genügt es schon, wenn ich
sie nur ansehen darf.«
Lord Harrington sah
ihm nach und wandte sich dann ab, um sich mit ein paar anderen Freunden zu
unterhalten. Er sprach über dies und jenes und verfluchte sich gleichzeitig
wegen seines rüden Benehmens. Fiona Sinclair beschäftigte ihn sehr.
Die glänzende
Gesellschaft veränderte und bewegte sich in einem fort, und ganz plötzlich war
Fiona nicht mehr da. Einen Augenblick zuvor hatte sie noch in der Mitte des
Salons gestanden, umgeben von einer Gruppe von Bewunderern, und im nächsten
Augenblick war sie verschwunden. Sie war wahrscheinlich in den Vorraum
hinuntergegangen, der den Damen vorbehalten war, damit sie ihr Haar feststecken
oder ihre Kleidung richten konnten.
Es kam ihm in den
Sinn, dass er sie vielleicht antreffen würde, wenn er in die Halle
hinunterginge. Er würde dann kurz unter vier Augen mit ihr reden, um seinen
Fehler von vorhin wieder gutzumachen. Dass er vor allem deshalb von ihr
weggegangen war, weil er es unerträglich fand, ihre Gesellschaft mit Toby zu
teilen, wollte er sich nicht eingestehen.
Immer noch trafen
Gäste ein. Während er
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