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01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12

01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12

Titel: 01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Hepsen
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entschloss sie sich, in Gedanken mit ihm zu kommunizieren. Sie klopfte, bildlich gesprochen, bei ihm an. Er ließ sie ein.
    Was meinst du damit?
    Ich meine, ich kann mich nicht konzentrieren, weil ich immer an dich denken muss.
    Das war nicht sein Ernst. Das konnte nicht sein Ernst sein! Letzte Nacht hatte er doch gekniffen! Sollte das ein Scherz sein?
    Sie verschloss ihren Geist wieder. Es war besser, sich auf die anderen Gästen zu konzentrieren. Der Herzog und die Herzogin unterhielten sich mit Lady Summers, und Joanna tat alles, um Lord Jeffrey nicht zuhören zu müssen.
    »So erbaulich Musik auch sein mag«, sagte er gerade, »wünschte ich doch, man würde die Frauen dieses großartigen Landes dazu ermuntern, ihre Kenntnisse auch auf andere Gebiete zu erweitern. Die Welt ist groß, wissen Sie. Als ich in Indien war …«
    Angelica, die nicht an Lord Jeffreys Ergüssen über seinen Indienaufenthalt interessiert war, wollte sich schon abwenden, als ihr Bruder plötzlich sagte:
    »Die Kenntnisse meiner Schwester beschränken sich nicht nur aufs Pianospielen.«
    Angelica wünschte, Mikhail würde sich nicht auf einen Streit mit dem aufgeblasenen Lord einlassen. Sie kannte Männer wie ihn: Sie waren nur an ihrer eigenen Meinung interessiert, und es hatte gar keinen Zweck, seinen Atem an sie zu verschwenden.
    Aber die Gäste schienen die plötzliche Anspannung gespürt zu haben und verfielen in Schweigen.
    »Mein lieber Prinz Belanow, ich wollte wirklich nicht Ihre Schwester beleidigen, aber man kann doch kaum erwarten, dass die Dame auch über praktischere Kenntnisse verfügt. Dass die Hauptstadt des Osmanischen Reichs Konstantinopel heißt, zum Beispiel.«
    »Ich versichere Ihnen, Lord Jeffrey, dass meine Schwester …«
    »Bitte, Mikhail.« Angelica sah, dass ihr Bruder zornig genug war, um etwas zu sagen, das er später bereut hätte. »Das ist doch nur ein Missverständnis.«
    »Und was für ein ›Missverständnis‹ sollte das sein, Prinzessin Belanow?«, fragte Lord Jeffrey mit einem arroganten kleinen Lachen.
    Sämtliche Blicke richteten sich auf Angelica, die nun auch allmählich in Hitze geriet. Das war der eingebildetste Kerl, der ihr je untergekommen war!
    »Nun, Lord Jeffrey, ich glaube, Sie unterliegen der irrigen Annahme, dass Musik unwichtig ist«, antwortete sie glatt. Sie wollte nicht persönlich werden, denn sie wusste, dass sie das nur bereut hätte.
    »Nun denn, Prinzessin, dann erklären Sie uns doch mal, wieso Musik wichtig sein soll!«
    Lord Jeffreys herablassende Art weckte in Angelica den unwiderstehlichen Wunsch, das arrogante Grinsen von seinem Gesicht zu wischen.
    »Königin Elisabeth hat 1599 Thomas Dallam beauftragt, eine Orgel für Sultan Mehmed den Dritten zu bauen. Es war eine politische Geste, denn sie hatte von ihren Informanten erfahren, dass der Sultan, der in Konstantinopel residiert, was im Türkischen übrigens Konstantinniye ausgesprochen wird, ein großer Musikliebhaber ist.«
    Lord Jeffrey lachte höhnisch, aber Joanna grinste begeistert.
    »Giuseppe Donizetti, der Bruder des berühmten Opernkomponisten Gaetano Donizetti, wurde 1828 auf Geheiß Sultan Mahmuds des Zweiten zum Direktor der Kaiserlichen Militärmusikakademie ernannt. Noch ein Fall, bei dem die unbedeutende Musik eine bedeutende politische Rolle spielte.«
    Diesmal fiel Lord Jeffreys Lachen schon deutlich kürzer aus.
    »Und schließlich«, erklärte Angelica aufreizend sachlich, »erinnern Sie sich vielleicht noch an den Besuch von Sultan Abdul Aziz, vor vier Jahren. Aziz, der auf dieser Europareise übrigens Richard Wagners Bayreuther Festspiele mit einer großzügigen Spende unterstützte, besuchte eine Vorstellung von Aubers  Masaniello , hier in Covent Garden. Eine Vorstellung, in der, wie die  Times  nachher berichtete, etliche nicht unwichtige politische Gespräche geführt wurden.«
    Lord Summers hob lachend zum zweiten Mal an diesem Abend sein Glas auf Angelica.
    »Kommen Sie, Lord Jeffrey, ich glaube, die Prinzessin hat uns ihren Standpunkt deutlich gemacht. Sie müssen zugeben, dass ihre Kenntnisse der Musik Ihren Kenntnissen über osmanische Padischahs in nichts nachstehen.«
    »Danke«, sagte Angelica bescheiden.
    Wenn sie es geschafft hatte, dem aufgeblasenen Lord mit ein paar Daten die Luft rauszulassen, dann war sie es zufrieden - obgleich sie dieses Gespräch lieber vermieden hätte.
    Sie griff zum Löffel, um ihre nun inzwischen zweifellos kalte Suppe zu essen, als ihr der eigenartige

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