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01 - Wie Feuer im Blut

01 - Wie Feuer im Blut

Titel: 01 - Wie Feuer im Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Sutcliffe
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dunkle Halle. Wie viele Warwicks
hatten wohl schon an dieser Stelle gestanden und über ihre Vergangenheit und
Zukunft nachgedacht?
    Damiens
Großvater, Robert Fitz Randolph, hatte im Jahre 1170 den Grundstein zu
Middleham Castle, dem Windsor des Nordens, gelegt. Die Burg war im Besitz der
mächtigen Neville-Familie gewesen, zu deren Mitgliedern der große Graf
von Warwick, der ein Held im Rosenkrieg gewesen war, gehörte. In jenen Tagen
hatte die Burg eine fürstliche Prachtentfaltung erlebt, Staatsaktionen, wilde
Gelage und feierliche Aufzüge mit herrlich gewandetem Gefolge. Warwick, der
»Königsmacher«, hatte in der großartigen Festung Middleham wie ein wahrhaftiger
König Hof gehalten. König Richard hatte Warwicks Tochter, Lady Anne Neville,
geheiratet und eine Zeitlang in dieser Burg gewohnt. Edward, der Prince of
Wales, war im runden Turm der Feste geboren worden. Aber als Richard III. bei
Bosworth fiel, endete mit ihm die Regierungszeit der Plantagenets und mit ihm
die glorreiche Epoche von Middleham. König Richards Nachfolger, Heinrich Tudor,
ließ die großartige Burg verfallen, und im Jahre 1546 befahl sein Sohn,
Heinrich der Achte, die Burg zu schleifen. Danach war, nur wenige Meilen von
den Ruinen entfernt, Braithwaite entstanden. Monumental. Ehrfurchtgebietend.
Ein Eckpfeiler des Warwick-Stolzes und ihres Imperiums, das noch immer
die Penninischen Hügel und Täler in West-Yorkshire beherrschte. Damien
konnte sich noch an das Seufzen seines Großvaters erinnern, als er mit verträumter
Stimme sagte: »Ah, mein kleiner Damien, wenn nur der Rosenkrieg einen anderen
Ausgang genommen hätte ... «
    Damien schloss
die Augen. Was würde sein Großvater wohl jetzt zu ihm sagen, wenn er hier wäre?
Sein altes Herz wäre wohl gebrochen wie einst die Wehrtürme von Middleham,
hätte er gewusst, dass sein Enkel eines Tages dem Sitz seiner ruhmvollen
Vorfahren und den Titeln einer uralten und hochangesehenen Adelsfamilie den Rücken
zudrehen wollte, dass er vorhatte. nach Amerika zu emigrieren, sich dort der
Sache der Rebellen anzuschließen und die Königin um Hilfe zu bitten, fremde
Erde zu beschützen.
    In
diesem Moment tauchte nicht zum ersten Mal ungebeten und unerwartet die Frage
in ihm auf. Was, zum Teufel, mache ich in Mississippi? Er zog nun seine
Loyalität gegenüber Bent Tree ebenso gründlich in Zweifel wie früher seine
Treuepflicht gegenüber Braithwaite. Er kam immer mehr zu der Einsicht, dass er
ein Gefangener zwischen zwei Ländern war. Was hatte ihm jedes der beiden zu
bieten? Braithwaite war natürlich sein Erbe und stellte ein so großes Vermögen
dar, dass ihn nur wenige Peers an Reichtum übertrafen. Ben Tree hingegen war
eine Herausforderung, eine Aufgabe. In Vicksburg war er nicht nur' der Sohn
und Titelerbe eines Grafen, sondern sein eigener Herr und Meister.
    Er kam
sich ein bisschen wie ein Bigamist vor. Er hatte eine hochwohlgeborene, aber
langweilige Lady einem verbotenen Nervenkitzel und einer vulgären Mätresse
zuliebe im Stich gelassen. Er war mit beiden verheiratet; hatte aber zu keiner
von beiden ein ungetrübtes Liebesverhältnis. Ihm fehlte etwas in beiden
Beziehungen; er wußte nur nicht, was. Es fiel ihm zunehmend schwerer, sich zu
entscheiden, wenn er zwischen Braithwaite oder seiner Plantage wählen musste -
schwerer, als er sich das je vorgestellt hätte.
    Er
wollte wieder in sein Bett gehen, aber als er den Korridor durchquerte, hörte
er ein Schluchzen. Er blieb stehen und lauschte angestrengt, und da hörte er
es wieder. Zielstrebig ging er auf Bonnies Zimmer zu, blieb aber dann vor ihrer
Tür stehen. Er hatte nichts in ihrem Zimmer zu suchen. Außerdem gehörte das
Mädchen zu den Dingen, die ihn beunruhigten und von seinen großen Problemen
ablenkten. Dennoch ...
    Dennoch
war sie mit der Zeit gleichsam zu einem Licht geworden, das in einem düsteren
Kosmos aufleuchtete. Seine Lethargie war in ihrer Gegenwart wie weggeblasen. Er
sehnte sich öfter, als er zugeben wollte, nach ihrer Nähe, ihrer warmen
Ausstrahlung, die das Eis in ihm zum Schmelzen brachte. Sie war, so seltsam es
klingen mochte, sogar zu einer Stütze für ihn geworden.
    Er
öffnete die Tür einen Spalt weit.
    Ein
dünner Strahl Mondlicht fiel durch das Fenster über den Boden und das leere
Bett. Damien suchte den Raum mit den Augen ab, spähte in jeden dunklen Winkel.
Und dann sah er sie, ein zusammengesunkenes Bündel neben dem Schrank an der
Wand, die Knie an die Brust gezogen, das schmale

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