010 - Die weiße Hexe
Geist schien das nicht so prompt zu klappen.
»Armes Mädchen«, sagte Ian Ekenberry bedauernd.
Odas Geist-Sensoren sprachen auf die Nähe eines bösen Körpers an. Ihr Instinkt warnte sie vor einer großen Gefahr, doch das konnten Ian Ekenberry und Bruce Perkins nicht wissen. Sie ahnten auch nicht, daß sie sich in derselben Gefahr wie das Mädchen befanden, denn wer einer weißen Hexe half, den traf Magos Strafe genauso mit grausamer Härte…
***
Claudia Clooney hatte noch kein schrecklicheres Wesen gesehen.
Die grüne Haut des Monsters glänzte schleimig. Das Ungeheuer mit den Rattenzähnen verzog seine Fratze zu einem furchterregenden Grinsen.
Das schwarzhaarige Mädchen preßte sich zitternd an die glatten Kacheln. Gab es so etwas wirklich? Oder war sie übergeschnappt?
Claudia raffte all ihren Mut zusammen.
Sie stemmte sich von der Wand ab und wollte sich an der Horrorgestalt vorbeikatapultieren. Doch Magos Scherge ließ das nicht zu.
Blitzschnell federte der Unhold nach rechts, und Claudia prallte gegen seinen ekligen Körper. Sie stieß einen krächzenden Schrei aus. Im Festsaal näherte sich die Fröhlichkeit dem Höhepunkt. Ein Lied, das jedes Kind kannte, wurde angestimmt, und alle sangen mit. Sie klatschten im Takt. Claudia hätte sich die Seele aus dem Leib schreien können, niemand hätte sie gehört.
Der Schreckliche hatte seinen Auftritt gut gewählt.
Claudia Clooney sprang zurück.
Der Gedrungene packte sie mit einer Hand an der Kehle. Seine Finger waren eiskalt. Claudia dachte, ihre letzte Stunde habe geschlagen.
Der Gehörnte stieß sie gegen die Wand. Er drückte aber nicht so fest zu, daß das Mädchen keine Luft mehr kriegte. Erstarrt hing Claudia Clooney in seinem harten Griff.
Sein fürchterlicher Blick bohrte sich in ihre Augen. Claudia mußte denken, ihr Ende wäre nahe.
Ihr Herz schlug hoch oben im Hals. Wogen der Panik klatschten über ihr zusammen. Obwohl sie wußte, daß es keinen Zweck hatte, wollte sie ihre Todesangst herausschreien, doch kein Ton kam über ihre bebenden Lippen.
Der Blick des Monsters stach bis in ihr Gehirn. Sie spürte, wie in ihrem Kopf etwas herumwühlte, alles verdrehte, und plötzlich fiel ihre Panik in sich zusammen wie ein niedergebranntes Strohfeuer.
Die Angst verflüchtigte sich. Der Schreckliche brauchte sie nicht mehr festzuhalten. Sie versuchte nicht mehr zu fliehen.
Magos Scherge hatte nunmehr Kontrolle über ihren Geist. »Du wirst mir helfen!« sagte er rauh.
»Ja«, antwortete das schwarzhaarige Mädchen leise.
»Wie ist dein Name?«
»Claudia Clooney.«
»Ich suche ein Mädchen«, sagte der Höllendiener. Er beschrieb Oda, die weiße Hexe. »Hast du sie gesehen?«
»Nein«, erwiderte Claudia.
»Auf dem Parkplatz steht ein blaumetallicfarbener Wagen. In ihm wurde Oda, so heißt dieses Mädchen, hierher gebracht. Ich will kein Aufsehen verursachen, deshalb wirst du dieses Mädchen für mich suchen.«
»Ja, das werde ich tun.«
»Sieh dich gewissenhaft um.«
»Natürlich. Was soll ich tun, wenn ich sie finde?«
»Nichts. Den Rest besorge dann ich.«
»Wie erfährst du davon, daß ich Oda entdeckt habe?«
»Sobald du sie gefunden hast, werde ich es wissen. Geh jetzt.«
Claudia nickte und verließ gehorsam den Waschraum. Sie kehrte nicht hinter die Bühne zurück, wo Dinsdale Lamb und Peggy Desmond warteten, sondern wandte sich in die entgegengesetzte Richtung. Im Festsaal befand sich Oda nicht, das wußte sie. Sie hatte sich die Gäste genau angesehen. Vielleicht würde sie Oda in einem der Gasthauszimmer finden…
Lamb, der Schürzenjäger, hatte noch Zeit bis zu seinem Auftritt.
Die wollte er nicht ungenutzt lassen. Claudia hatte vorhin so groß geredet. Nun sollte sie mal beweisen, was wirklich dahintersteckte.
Während Peggy die Waren vorbereitete, die es an den Mann zu bringen galt, verließ Dinsdale Lamb den Festsaal. Er sah Claudia, die soeben die Tür erreichte, die ins Treppenhaus führte.
»Claudia!«
Sie blieb abrupt stehen. Ein eiskalter Ausdruck erschien in ihren Augen. Sie war besessen. Lamb konnte das nicht ahnen. Er näherte sich ihr grinsend. Sie wandte sich ihm langsam zu.
»Sag mal, wolltest du dich heimlich davonstehlen?« fragte er.
»Vielleicht«, gab sie frostig zurück.
»Mein Bettchen kannst du mir später auch noch anwärmen. Zuerst müssen wir unseren Job tun. Wir werden nicht schlecht dafür bezahlt.«
Sie erwiderte nichts.
Er erreichte sie. »Wieso schaust du mich so komisch an? Vorhin
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