010 - Die weiße Hexe
Zimmermädchen, dachte Claudia. Sie befand sich in der Wäschekammer, in der auch die Reinigungsgeräte aufbewahrt wurden. Würde das Zimmermädchen hier hereinkommen?
Claudia legte sich hinter der Tür auf die Lauer. Sollte das Mädchen diesen Raum betreten, würde Claudia mit ihr kurzen Prozeß machen. Gespannt wartete sie. Die Schritte näherten sich.
Ein böser, grausamer Ausdruck kerbte sich um den Mund der Besessenen. Sie bedauerte, daß Larry Davis sie daran gehindert hatte, Dinsdale Lamb das Leben zu nehmen.
Nun, vielleicht konnte sie jetzt töten. Diesmal würde ihr Davis nicht in die Quere kommen.
Die Schritte erreichten die Tür der Wäschekammer. Alles in Claudia Clooney spannte sich. Die Schritte verstummten. Claudia bereitete sich auf den Angriff vor.
Die Tür öffnete sich.
Claudia duckte sich wie eine Raubkatze zum Sprung. Ihre schwarzen Gedanken kreisten nur noch um eines: um Mord!
»Mia!« Die Stimme eines Mannes. Sie kam von der Treppe her.
Das Mädchen, das soeben eintreten wollte, blieb stehen, wandte sich um. »Ja?«
»Kommst du mal? Kannst du mir helfen?«
»Natürlich, Mr. Culler.« Das Zimmermädchen schloß die Tür wieder und begab sich zur Treppe. Gemeinsam mit dem Wirt stieg sie die Stufen hinunter, und Claudia Clooney entspannte sich enttäuscht. Zum zweitenmal hatte sie Pech gehabt. Ärgerlich verließ sie die Wäschekammer. Mia kam vorläufig nicht mehr hoch. Claudia konzentrierte sich wieder auf ihren Auftrag.
Zimmer Nummer 3 war besetzt.
Sie mußte herausfinden, ob sich Oda darin befand…
***
Lewis McDonald war Reisender. Zahncreme, Kaugummi ohne Zucker, Rasierwasser und kosmetische Artikel. Seit fünfzehn Jahren im Geschäft. Seit fünfzehn Jahren auf Achse. Seit fünfzehn Jahren mal in diesem, mal in jenem Bett. Nächtigungen in diesem Hotel, in jenem Gasthaus. Mal war es ein Motel, hin und wieder auch eine private Wohnung oder ein Haus. Manchmal wachte Lewis McDonald am Morgen auf und wußte nicht, wo er sich befand.
Vier Jahre lang hatte seine Ehe darunter gelitten.
Jetzt nicht mehr, denn nun war McDonald nicht mehr verheiratet. Seine Frau hatte die Scheidung eingereicht, und er hatte sich nicht dagegen gesträubt.
Seither tröstete er grüne Witwen und beglückte einsame Geschäftsfrauen. Aber er kümmerte sich auch um willige Anhalterinnen, die sich dafür erkenntlich zeigen wollten, daß er sie ein weites Stück mitgenommen hatte.
Diesmal hieß sie Shirley. Ihren Nachnamen kannte er nicht, er interessierte ihn auch nicht. Morgen würde er dann auch ihren Vornamen vergessen, denn es brachte nichts, wenn er sich die Namen all jener Mädchen und Frauen merkte, mit denen er die Nacht verbrachte.
Sie hatte zweihundert Kilometer von London entfernt am Fahrbahnrand gestanden. Ihr Daumen wies Richtung Hauptstadt. Der Pullover – verrückt gemustert – reichte bis zu ihren Knien. Er konnte nicht erkennen, ob sie eine gute Figur hatte oder nicht. Ihr Gesicht gefiel ihm, deshalb blieb er stehen und fragte: »Wohin?«
»Nach London. Fahren Sie so weit?«
Er grinste. »Für Sie würde ich noch viel weiter fahren. Steigen Sie ein.«
Sie warf ihren Rucksack in den Kofferraum und setzte sich neben ihn. Er stellte ihr viele Fragen, die sie ihm offen und ehrlich beantwortete. Sie war ein blondes, junges, unkompliziertes Ding, und er bemerkte sehr bald, daß sie leicht zu haben war.
Er lud sie in ein Rasthaus ein, bezahlte ihr Kaffee und Kuchen.
Auf der Weiterfahrt machte er erste Andeutungen, die sie verstand.
Schließlich sagte er rundheraus. »Müssen Sie heute noch unbedingt nach London?«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Shirley. Sie begriff den Sinn seiner Frage.
»Ich kenne ein Gasthaus vor der Stadt. Da ißt man ganz gut, und die Zimmer sind hübsch…«
Sie überlegte nicht lange, sondern nickte und sagte: »Okay.«
Und nun befanden sie sich in diesem Gasthaus. Im Zimmer. Im Bett. Wohlgefällig hatte er feststellen können, daß Shirley unter dem unvorteilhaften Pullover eine wunderschöne Figur verbarg.
Ihr Körper war weich und biegsam, die Brüste fest.
Shirley bewies, daß ihr die Liebe großen Spaß machte, und sie war so erfinderisch, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Niemals hätte er ihr so viel Erfahrung und Raffinesse zugetraut. Sie kamen beide voll auf ihre Kosten.
Danach legte sie ihren Kopf auf seine behaarte Brust, und sie rauchten zusammen eine Zigarette. Soeben zog sie wieder daran.
Dann gab sie ihm das Stäbchen zurück.
»Reist du
Weitere Kostenlose Bücher