010 - Skandal in Waverly Hall
Augen. „Du hast vier Jahre gehabt, um für deine Sünden zu büßen. Weshalb bleibt du jetzt nicht hier und behandelst Anne mit jenem Respekt -und jener Zuneigung -, auf die sie einen Anspruch hat?"
Dominick blickte auf den Cognacschwenker in seiner Hand. „Anne möchte, daß ich wieder gehe. Sie verachtet mich inzwischen."
Rutherford winkte spöttisch ab. „Sie liebt dich immer noch."
Dominick spürte einen Stich in der Brust. „Du irrst dich, Großvater", sagte er leise und wechselte das Thema. „Ist das wahr? Hast du einen Treuhandfonds eingerichtet und Anne das Haus vermacht?"
Der Herzog sah ihn ernst an. „Ja, es gibt einen Treuhandfonds. Nach meinem Tod erhält Anne dieses Haus sowie eine Apanage. Die Ländereien bleiben weiterhin bei dir."
„Ich glaube das einfach nicht."
„Nein? Es ist alles rechtlich abgesichert, dafür habe ich gesorgt. Unmittelbar vor deiner Heirat mit Anne setzten meine Anwälte eine gesonderte Vereinbarung über den Grundbesitz auf. Dein Vater unterschrieb sie ebenso wie ich."
Dominick sah seinen Großvater verblüfft an. Schon vor seiner Heirat mit Anne?
„Was, zum Teufel, steht in dieser Vereinbarung?"
„Nach dem Tod deines Vaters kam Waverly Hall in einen Treuhandfonds für Anne.
Das Kanzleigericht überwacht diesen Fonds, aber Anne hat auf Antrag beim Treuhandverwalter volle Verfügbarkeit über ihr Eigentum und alle Geldmittel."
Rutherford ließ Dominick nicht aus den Augen. „Dieser Treuhandverwalter bin ich."
Der Puls hämmerte in seinen Ohren. „Wie konntest du mir das antun?" stieß Dominick hervor. „Dieses Haus steht mir zu. Wenn du dich schon in meine Ehe einmischen willst und Anne finanziell unabhängig machen möchtest - obwohl sie meiner Ansicht nach unabhängig genug ist -, gib ihr einen anderen Landsitz. Aber nicht dieses Haus, in dem ich geboren bin, nicht das Heim meines Vaters."
Rutherford antwortete nicht, sondern lächelte vielsagend.
„Findest du das etwa amüsant?" fuhr Dominick auf. „Was, zum Teufel, steckt wirklich dahinter?"
„Ich kann es kaum amüsant finden, wie du Anne behandelst, Dominick", sagte Rutherford endlich. „Wie kommst du auf den Gedanken, daß ich einen bestimmten Zweck verfolge?"
„Weil ich dich kenne, Großvater. Oder magst du Anne so sehr, daß du den Kopf verloren hast - und obendrein deinen Verstand?"
„Ich mag Anne tatsächlich. Sie ist jene Tochter für mich, die ich nie hatte. Außerdem ist sie die wundervollste Frau, die mir seit Jahren begegnet ist: warmherzig, intelligent und zielstrebig. Du warst vier Jahre fort und hast keine Ahnung, was dir entgangen ist. Jemand sollte es dir sagen."
„Ich bin durchaus in der Lage, ohne deine Hilfe eine Frau zu beurteilen." Verärgert ging Dominick zur Bar und goß sich einen weiteren Cognac ein. Doch er trank nur einen kleinen Schluck, denn er mußte einen klaren Kopf behalten. „Was erwartest du von mir, Großvater?" fragte er mit dem Rücken zum Herzog.
„Ich erwarte, daß du Anne so anständig behandelst, wie sie es verdient hat."
Dominick drehte sich zu Rutherford zurück. „Und du glaubst, ich werde sie behandeln, wie es einem Ehemann zukommt, weil sie unabhängiger geworden ist und das Erbe meines Vaters erhalten hat?" Er lachte verbittert. „Denk noch einmal über deine Worte nach."
„Anne hat unter deiner gefühllosen Behandlung erheblich mehr gelitten, als einer Frau zumutbar ist. Meiner Ansicht nach hat sie ein eigenes Vermögen und ein eigenes Einkommen verdient, wenn sie schon keinen richtigen Ehemann hat. Findest du das nicht gerecht?"
Dominick wurde aschfahl. „Langsam begreife ich", sagte er endlich.
„Wirklich?" Rutherfords Stimme wurde weicher. „Das Leben besteht nicht nur aus der Führung von Konten, der Entgegennahme von Beschwerden, dem Bezahlen von Rechnungen und aus Pferderennen, mein Sohn. All die schönen Frauen, mit denen du ins Bett gehst, sind kein Ersatz für eine Ehefrau. Manchmal habe ich den Eindruck, daß du absichtlich solch ein einsames Leben führst."
Dominick erstarrte unwillkürlich „Ich bin nicht einsam", antwortete er barsch.
„Wenn du glaubst, daß die Gesellschaft einer französischen Schauspielerin dein Herz wärmen kann, bis du ein gewaltiger Narr", erklärte Rutherford ungerührt.
„Das brauche ich mir nicht anzuhören."
„Doch, das mußt du. Du mußt mir zuhören - wenn du Waverly Hall zurückhaben willst."
Dominick ballte die Hände zu Fäusten. „Jetzt kommen wir langsam zur
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