010 - Skandal in Waverly Hall
Sache.
Natürlich will ich Waverly Hall zurück. Ich werde Anne ein anderes Haus geben - meinetwegen einen zehnmal so großen Besitz, wenn sie unbedingt will."
Rutherford sagte nichts.
„Also? Was muß ich tun, um das Haus zurückzubekommen?" fragte Dominick.
Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
Rutherford lächelte vielsagend. „Für einen Mann wie dich sollte die Erfüllung der Bedingung nicht allzu schwierig sein."
Dominick antwortete nicht. Sein Körper war vor Nervosität und Spannung steif geworden.
„Ich möchte einen Urenkel haben, bevor ich sterbe", erklärte Rutherford ernst. „Und dafür bleibt nicht mehr viel Zeit."
Dominick sah seinen Großvater fassungslos an und traute seinen Ohren nicht.
„Damit meine ich nicht einen deiner Bastarde. Sorge dafür, daß deine Frau schwanger wird. Zeuge einen Erben mit ihr", fuhr der Herzog fort. „Dann fällt das Treuhandvermögen an dich, und Waverly Hall gehört wieder dir."
5. KAPITEL
Anne war in ihr Zimmer geflüchtet und sah immer noch Do-minicks Gesicht vor ihrem inneren Auge. Er war zuerst entsetzt gewesen und dann furchtbar wütend geworden.
Nervös lief sie auf und ab und trat ans Fenster. Der Raum war sehr feminin eingerichtet und ganz in Weiß und Rosa gehalten. Nachdenklich blickte sie über eine Vase mit frischen Blumen aus den Gärten von Waverly Hall in die Ferne und kam sich wie eine Gefangene vor. Nach den beiden Auseinandersetzungen erst mit Dominicks Mutter und anschließend mit ihrem Mann ging sie ungern wieder nach unten. Hier oben fühlte sie sich sicher.
Dominick war außer sich vor Zorn gewesen, als er zu seinem Großvater eilte.
Inzwischen hatte er gewiß aus erster Quelle von dem Treuhandfonds erfahren.
Hatte er sich beruhigt, oder war seine Wut noch gewachsen? Wahrscheinlich war er immer noch aufs höchste erregt.
Anne fühlte sich ungerecht behandelt und war erschöpft. Sie hatte um nichts gebeten, weder um Dominicks plötzliche Rückkehr noch um den Treuhandfonds oder Waverly Hall. Und schon gar nicht um seinen Kuß.
Energisch verdrängte sie den letzten Gedanken. Sie durfte jetzt nicht an den Kuß denken. Statt dessen mußte sie überlegen, wie sie Dominick dazu bringen konnte, Waverly Hall wieder zu verlassen, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte.
Vielleicht begriff er, daß er besser ging, nachdem er nicht mehr der Herr dieses Hauses war?
Anne preßte die Hand vor den Mund und wurde sofort an die Gefühle erinnert, die Dominicks Kuß bei ihr geweckt hatte. Weshalb machte sie sich etwas vor? Sie verabscheute den Mann, das stand fest. Trotzdem würde es ihr das Herz brechen, wenn er wieder abreiste. Ein Teil von ihr liebte ihn noch und würde ihn immer lieben.
Anne blickte hinaus in die dunstige Nacht. Die Sterne waren nicht mehr zu sehen.
Ein feiner Nebel schwebte über dem Boden. In Schwaden zog er um die Bäume und Büsche und verlieh der Landschaft etwas Gespenstisches. Sie kannte diesen Nebel seit Jahren. Doch heute wirkte er seltsam unheimlich - geheimnisvoll und gleichzeitig entsetzlich trostlos.
Anne schloß die Augen. Sie hatte die letzten vier Jahre überstanden und das nicht einmal schlecht. Waverly Hall war ihr zur Heimat geworden. Sie lebte gern hier. Aber jetzt war Dominick zurückgekehrt und weckte Gefühle in ihr, die sie weder wollte noch mochte. Und das machte sie wütend.
Plötzlich ärgerte Anne sich, daß sie sich in ihrem Zimmer verbarg, weil sie Angst vor einer weiteren Begegnung mit Dominick hatte. Entschlossen verließ sie den Raum und lief den Korridor entlang. Leise stieg sie die Treppe hinunter und trat aus der Tür. Sobald sie draußen war, verlangsamte sie ihre Schritte. Sie hatte kein bestimmtes Ziel, sondern wollte nur weg von dem Haus und seinen Bewohnern.
Weg von dem Mann, den sie einst törichterweise - aber überglücklich - geheiratet hatte.
Ein Mann trat aus dem Schatten der Bäume. „Anne?"
Anne zuckte zusammen und preßte die Hand auf ihr rasendes Herz. „Mein Güte, Patrick. Hast du mich erschreckt."
Patrick Collins trat zu ihr und nahm ihre Hand. „Das tut mir leid." Er betrachtete sie aufmerksam.
„Weshalb bist du noch hier?" fragte sie. „Ich dachte, du hättest das Haus gemeinsam mit den anderen Gästen verlassen."
„Ich mache mir Sorgen um dich, Anne. Es gefällt mir nicht, daß du mit Dominick unter einem Dach bist. Ist alles in Ordnung?"
Anne drückte Patrick dankbar die Hand. Sie war sehr froh, daß er geblieben war.
„Nein, leider
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