010 - Skandal in Waverly Hall
gegen meine Anwesenheit hier hätte."
„Ich schon."
Träge zog er eine Braue in die Höhe. „Wirklich?"
Wie ungezwungen Dominick sich benimmt, dachte Anne. Natürlich war er schon oft in Frauengemächern gewesen, während sie noch nie einen Mann in ihrem Zimmer gehabt hatte. „Ja." Trotzig hob sie das Kinn. „Ich bin dagegen."
Er ließ sie nicht aus den Augen. „Dein Einwand zählt nicht", sagte er leise.
„Immerhin ist dies mein Haus."
Sein Blick wurde drohend. „Reiz mich ja nicht, Anne."
Sie trat sofort den Rückzug an. „Natürlich teile ich es gern mit dir", gab sie zu.
Er sah sie ganze Weile aufmerksam an und zweifelte eindeutig an der Aufrichtigkeit ihrer Worte. Sein Blick glitt tiefer, und Anne hatte das unbehagliche Gefühl, er könnte durch ihren Morgenmantel schauen. Endlich betrachtete er erneut ihr Zimmer. „Viel hast du nicht."
„Ich bin eine einfache Frau und stelle keine großen Ansprüche."
Dominick lächelte wissend, und winzige Fältchen bildeten sich in seinen Augenwinkeln. Annes Herz raste wie wild. „Die meisten Frauen stellen keine großen Ansprüche. Trotzdem besitzen sie so viele Dinge, daß sie nicht wissen, was sie damit anfangen sollen." Er ließ den Blick noch einmal durch den Raum schweifen.
Das Zimmer wäre ziemlich kahl gewesen, hätte Anne es nicht mit Blumen aus dem Garten geschmückt. Überall standen Rosen, Lilien und Rittersporn. Er schnupperte anerkennend und sah sie erneut an.
„Du mußt es ja wissen, nachdem du mit zahlreichen Frauen bestens bekannt bist", hörte Anne sich spöttisch sagen.
Er lachte leise. „Sind wir schon wieder bei diesem lästigen Thema, Anne? Du scheinst dich ungewöhnlich stark für mein Privatleben zu interessieren."
Anne wurde dunkelrot. „Nein, bestimmt nicht", rief sie und wünschte, sie hätte nicht so unüberlegt gesprochen.
„Soll ich Bennet bitten, uns das Abendessen heraufzubringen?" fragte Dominick plötzlich und lächelte immer noch.
„Nein!" antwortete sie entsetzt.
„Ich habe befürchtet, daß du ablehnen würdest." Sein Lächeln erstarb. „Es war mir vorhin sehr ernst, Anne."
Sein Ton gefiel ihr nicht. „Mir ebenfalls."
„Das macht nichts. Frauen dürfen ihre Meinung jederzeit ändern." Er kam langsam näher. Anne hatte das Gefühl, die Glieder gehorchten ihr nicht mehr. Sie konnte sich nicht rühren. Wenige Zentimeter vor ihr blieb er stehen. „Ich habe die Absicht, hier in Waverly Hall zu bleiben, und möchte noch einmal mit dir von vorn beginnen." Er streckte den rechten Arm aus und legte die Hand auf ihre Finger, die immer noch ihren Morgenmantel zusammenhielten. Sein Lächeln war ausgesprochen verführerisch. „Dieser Augenblick ist dafür so gut geeignet wie jeder andere."
„Vielleicht für dich", stieß Anne hervor und konnte den Blick nicht von ihm lösen.
„Aber nicht für mich. Bitte geh jetzt. Ich möchte ins Bett."
Kaum hatte sie die Bemerkung ausgesprochen, bereute sie ihre Wortwahl schon.
Dominick sah über ihre Schulter zu dem Himmelbett, und seine Augen begannen zu leuchten. „Das ist sogar ein viel besserer Vorschlag als ein Abendessen zu zweit in deinem Zimmer."
„Ich gehe allein ins Bett", zischte Anne.
Als Antwort zog er ihre Hand fort. Der Morgenmantel öffnete sich etwas und gab die elfenbeinfarbene Haut an ihrem Hals und ihrem Brustansatz frei. Langsam führte er ihre Finger an die Lippen und küßte verführerisch erst einen Knöchel und dann den nächsten.
Anne stieß einen leisen Schrei aus und floh auf die andere Zimmerseite. Glühende Hitze durchströmte sie, zwischen ihren Schenkeln begann es erregend zu pochen.
„Es ist vorbei, Dominick. Laß mich endlich in Ruhe. Ich will dich nicht, und dies will ich erst recht nicht."
„Es ist noch längst nicht vorbei, Anne. Das weißt du ebensogut wie ich."
Sie schüttelte den Kopf. „Weshalb tust du mir das an? Weshalb stellst du mir auf diese Weise nach? Was will du wirklich?" fragt sie. „Weshalb hast du beschlossen, in Waverly Hall zu bleiben?"
Dominick ließ sie nicht aus den Augen. „Vielleicht war mir bisher nicht bewußt, wie gut wir zusammenpassen. Jetzt, nachdem ich zurückgekehrt bin, ist es mir eindeutig klargeworden."
„Wir passen überhaupt nicht zusammen. Kein bißchen."
„Soll ich dir das Gegenteil beweisen?"
Anne ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe mich verändert und bin inzwischen eine Frau geworden. Eine sehr erfahrene Frau - zu erfahren für jene Gefühle, die du unbedingt
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