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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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quakten Ochsenfrösche, versetzten Zamorra in eine Stimmung, in der er sich wie Samson fühlte.
    Shurina kam nicht mehr wieder. Sie beide blieben allein.
    Rahndra hob ihm einen Becher mit schwerem Wein entgegen, von dem sie erzählt hatte, er wäre von Kiwifrüchten gewannen. Er schmeckte kühl und aromatisch auf der Zunge, wärmte den Magen und schürte so noch das Feuer, das bereits in Professor Zamorra loderte.
    »Trink, Liebster«, hauchte sie kehlig und sah zu ihm auf wie ein gläubiger Hindu zum Standbild Shivas. Doch in ihren Augen, in ihrer Stimme lag noch mehr neben dieser so offen zur Schau getragenen Bewunderung: Ein Versprechen, ja, eine Aufforderung zu einer Sünde ohne Reue…
    Zamorra trank in langsamen Schlucken. Er genoß jeden einzelnen und genoß die Nebel, die seinen Verstand einzuhüllen begannen wie eine weiche Wolke. Die Umgebung um sie beide herum versank in Bedeutungslosigkeit, als er den Becher beiseite stellte und nach den samtig weichen Armen des Mädchens griff.
    Sie kam ihm geschmeidig entgegen, schien sich förmlich wie eine Schlange an ihm hochzuwinden, bis ihre Lippen sich beinahe begegneten. Jeder atmete den Atem des anderen, und Zamorra fand, daß der ihre noch süßer und duftender war als der Wein, den er eben getrunken hatte. Er trank auch ihre heißen Küsse von ihren vollen Lippen, Küsse, die sie ihm so bereitwillig gewährte, als wäre sie nur zur Lust dieses Mannes aus dem fernen Europa geboren worden, als sei es ihr einziger Lebenszweck, diesem Mann zu Gefallen zu sein.
    Irgendwann waren die Feuer in den Schalen heruntergebrannt, und irgendwann standen sie auf, um eng aneinandergeschmiegt in einem der vielen Säulengänge zu verschwinden. Zamorra überließ sich willig ihrer Führung, weil feststand, daß sie zusammen im Paradies landen würden.
    Durch ein Bogenfenster fiel ein Mondstrahl breit in das Gemach, über dessen Schwelle Rahndra den Mann aus Europa zog. Außer einer Vielzahl von Kissen und Polstern waren keine weiteren Einrichtungsgegenstände auszumachen. Kissen und Polster reichten vollauf. Sie ließen sich zusammen darauf niedersinken.
    ***
    Traumfiguren tauchten aus gründunstenden Schwaden, vom Fauchen des Tigers gejagt, wirbelten wild durcheinander, drehten sich in einem angstvollen grotesken Reigen, zu dem der Pulsschlag des Herzens den Rhythmus hämmerte und wie Paukenschläge dröhnte.
    Zamorra erkannte sie alle, diese Gestalten. Sie waren ihm aus seinen Studien vertraut. Allen voran trieb Surjia, der Sonnengott, auf seinem goldgleißenden Wagen, verfolgt vom rüsselköpfigen Soma, dem Mond, und Waju, dem Wind, der die Nebel mit seiner Urgewalt zu brodelndem Kochen brachte, seine fasernde Peitsche über Agni, dem Feuer, schwang, so daß die Funken wie Sterne gegen den Himmel stoben. Waruna, der Gott des Wassers, umspülte mit seinen Fluten die Beine aller Gestalten mit seinem gischtenden Element, das nur ihm gehorchte. Niedere Dämonen und Geister wurden von ihm mitgerissen und in einen rasenden Sog gezerrt, in dem sie aufkreischend verschwanden. Jama, der Tod, blies ihnen seinen Pestatem hinterher und wurde selbst von seiner Herrin, der grausamen Weltenzerstörerin Durgha, wie ein Wurm getreten.
    Und wieder dieses bestialische Gebrüll des Tigers, der sich aus den Dunstgebilden des Hintergrunds manifestierte und langsam Gestalt annahm, alle anderen Gottheiten in belanglose Statistenrollen zwang, übergroß wurde und seinen weitgähnenden Rachen aufriß, um all die Hindugötter zu verschlingen. Das eine Auge des Tigers war bernsteingelb, das andere blau.
    Eine lange, tropfende, rote Zunge schob sich zwischen den beiden unteren Reißzähnen hervor, die wie Obelisken aus Elfenbein in den unersättlichen Rachen ragten.
    Die Zunge sog Warunas Fluten auf wie ein Schwamm, leckte gierig nach all den anderen. Das Tigermaul schnappte mit einem schmatzenden Laut zu, und als der Rachen sich erneut öffnete, saß nur mehr Durgha, die Zerstörerin, wie auf einem Thron im Raubtiergebiß. Ihr zu einer Maske des Hasses verzerrtes Gesicht war das Gesicht Shurinas. Die Feindin alles Lebens hielt ihr Zepter drohend wie eine Lanze nach vorne gestreckt, wo vor dem Tigermaul ein menschliches Herz pulsierte.
    Erst in diesem Traumgebilde fiel Zamorra eine Unregelmäßigkeit auf, die ihm schon vorher hätte auffallen müssen. Durgha wird auf den Bildern als weiblicher Dämon mit kleinen Brüsten als Zeichen der Unfruchtbarkeit dargestellt, und um ihr Zepter ringelt sich eine

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