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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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gekommen. Seine Kinnlade sank der Brust entgegen, der Mund mit den schlechten Zähnen klaffte auf, und die Zigarettenkippe fiel auf die Bootsplanken. Zum Schauspieler taugte der Bengalese nicht. Er zeigte seine Enttäuschung zu offen.
    »Aber meine Auslagen…«, versuchte er nach einer Pause einen Einwand. »Ich mußte die ganze Ausrüstung vorfinanzieren!«
    »Unsinn!« wehrte Bill grob ab. »Sie haben bisher noch keinen Taka an Ihre Lieferanten bezahlt. Doch Sie werden dazu in der Lage sein, wenn wir erst wieder zurück in Barisal sind. Unterstützen Sie mich nach Kräften, und Sie werden es nicht zu bereuen haben. Ich bin großzügig und auch gerne bereit, nun ja, einige Ausfälle Ihrerseits zu vergessen. Sie können sogar all mein Geld haben, wenn wir wieder in Barisal sind. Also schlagen Sie sich Ihre dummen Pläne aus dem Kopf. Und jetzt werfen Sie mal einen Blick auf meine Karte, ja?«
    Bill Fleming deutete mit dem Finger auf das Kreuz, das noch Kon Siang eingezeichnet hatte und das die genaue Stelle angab, an der er weit über dem Stromdelta mit seiner Boeing mitten hinein in einen monströsen Tigerrachen geflogen war.
    »Meinen Informationen nach soll dort eine interessante Fundstelle sein«, behauptete Bill Fleming und spielte so den Archäologen weiter, als der er sich eingeführt hatte.
    »Dort ist nichts«, sprudelte es viel zu hastig aus Raf Shuk heraus. Bill sah den Mann irritiert an. Shuk schaute gar nicht auf die Karte, sondern starrte angestrengt aufs Wasser hinaus, als wolle er dort die Fische hypnotisieren.
    Und wieder spürte Bill, daß man ihm bisher eine entscheidende Tatsache über sein Reiseziel verheimlicht hatte. Jeder der sonst reichlich geschwätzigen Bengalesen wurde wortkarg, wenn er sagte, wohin er wollte. Doch jetzt wollte sich Bill nicht mehr mit Ausflüchten abspeisen lassen. Er wollte endich den Grund für diesen seltsamen Respekt erfahren, den man dieser Gegend offensichtlich entgegenbrachte.
    »Natürlich ist dort etwas«, meinte Bill, scheinbar geduldig. »Meine Informationen sind okay. Und mir scheint, Sie wissen auch etwas über diese Region. Wollen Sie mir nichts darüber erzählen?«
    »Da gibt es nichts zu erzählen«, erwiderte Raf Shuk einsilbig und betrachtete weiterhin mit Hingabe die Wasseroberfläche.
    Bill verlor allmählich die Geduld.
    »Heraus mit der Sprache, Mr. Shuk!« sagte er heftig. »Sie können mich nicht für dumm verkaufen. Das sollte Ihnen mittlerweile klar geworden sein. Was gibt’s dort also, was ich nicht zu Gesicht bekommen soll? Militärisches Sperrgebiet oder was? Mann, lassen Sie sich die Würmer doch nicht einzeln aus der Nase ziehen!« Und einer plötzlichen Eingebung folgend fügte er hinzu: »Oder haben Sie etwa Angst vor Tigern?«
    Dieser Hieb saß.
    Raf Shuk zuckte zusammen, als wäre eine Peitsche auf seinen Rücken niedergeknallt, Dann wandte er sich langsam Bill Fleming zu.
    Waren seine Züge kurz vorher noch von Bösartigkeit, von Lastern und von Heimtücke gezeichnet gewesen, so waren sie jetzt vor Angst verzerrt. Die Augenbrauen hochgezogen sah er mit angstvoll geweiteten Augen den Amerikaner an. Pfeifend sog er die feuchtschwüle Luft ein. Sein Mund zuckte, als ob er etwas sagen wollte, aber er ließ es dann doch bleiben, so als fände er nicht die richtigen Worte.
    Bill dachte nicht im Traum daran, es diesem Mann leichter zu machen.
    »Und?« fragte er nur fordernd. »Sehen Sie mich nicht an, als hätten Sie soeben in die Hosen gemacht. Ich habe Ihnen eine Frage gestellt: Haben Sie Angst vor Tigern?«
    Mittlerweile hatten auch die übrigen Bengalesen an Bord bemerkt, daß sich im Heck des Bootes etwas tat — sie verstanden kein Wort von der halblaut geführten Unterhaltung, und ihre Gesichter spiegelten ihre Empfindungen wider. Dieser Fremde hatte ihren Boß sichtlich in die Enge getrieben, und sie wußten nicht, wie sie reagieren sollten.
    Zwei von ihnen griffen nach ihren Gewehren, doch als sie erkannten, daß der Weiße keinerlei Anstalten machte, sich an Khan Raf Shuk zu vergreifen, zogen sie ihre Finger wieder zurück.
    Raf Shuk rutschte nervös auf dem Karton herum, den Bill ihm als Sitzgelegenheit angewiesen hatte. Er fingerte sich eine neue Zigarette aus seiner zerknautschten Packung. Sie brannte erst beim dritten Versuch. So zitterten seine Hände, die die Streichhölzer an seinen Glimmstengel hielten. Er rauchte hastig.
    »Sie sind kein Archäologe«, sagte er plötzlich.
    »Na und?« meinte Bill und zuckte mit Achseln.

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