0101 - Ein Friedhof am Ende der Welt
an mich zu reißen.
Irgend etwas hielt mich zurück.
Meine Nerven standen unter Strom.
Sollte es wirklich so einfach sein, an das geheimnisvolle Buch zu gelangen?
Das konnte ich mir nicht vorstellen. Und wo befanden sich eigentlich die Hexen?
Ich schaute mich um.
Sie hatten mich nicht aus den Augen gelassen, sondern lauerten nach wie vor in meinem Rücken.
Jetzt kamen sie aus den zahlreichen Stollen und Gängen, zischten raketengleich in die Halle, jagten auch der Gewölbedecke entgegen, stießen wieder dem Boden zu und flogen einen Kreis um den Würfel mit dem darunterliegenden Buch. Das fahle, hinter den Hexenbesen aufflackernde Licht lief zusammen und bildete einen hellen Ring, der über dem Würfel schwebte.
Was bezweckten die Hexen damit?
Ich wußte es nicht. Ich wußte nur, daß ich jetzt und hier die große Chance wahrnehmen mußte.
Langsam ging ich auf den Würfel zu. Seine Kantenlänge maß etwas über einen halben Yard. Je näher ich herantrat, um so überraschter wurde ich.
Hatte ich vorhin angenommen, die Seitenflächen des Würfels wären glatt und durchsichtig, so wurde ich nun eines Besseren belehrt.
Die gläsernen Flächen zeigten Bilder, Gesichter, Figuren, Menschen.
Und zwar Menschen, die ich kannte!
Mein Herz übersprang einen Schlag, denn ich sah Kommissar Mallmann und Superintendent Powell…
***
Suko bekam plötzlich keine Luft mehr. Zudem schmerzte sein Schädel.
Er öffnete die Augen und schloß sie sofort wieder, weil der Strahl einer Lampe ihn blendete.
Jemand leuchtete ihm ins Gesicht.
Dann hörte er eine Stimme. »Er kommt zu sich. Packt ihn und schleift ihn zum Wagen!«
Suko fühlte starke Hände unter seinen Schultern. Man riß ihn auf die Beine und gab ihm keine Gelegenheit, sich zu erholen. Wie einen alten Sack schleiften sie ihn mit, zogen ihn über das Geröllfeld und liefen auf einen Jeep zu, der an dem schrägen Hang parkte.
Der Chinese wußte überhaupt nicht, was eigentlich los war. Sein Denkvermögen kehrte nur langsam zurück. In Etappen begann sein Gehirn zu arbeiten. Er dachte an die Seilbahnfahrt, an die Gefahr, als das Seil riß und an den Absprung.
Von diesem Moment an klaffte eine Gedächtnislücke.
Und jetzt schleppten sie ihn weg.
Am Hang stand nicht nur ein Jeep, sondern auch ein Geländewagen der Armee. Mindestens zehn schwerbewaffnete Soldaten kümmerten sich um den Gefangenen. Taschenlampen blitzten, leuchteten Suko an, der noch gar nicht richtig da war.
Er mußte in den Jeep klettern.
Man setzte ihn auf den hinteren Sitz, während die Soldaten das Fahrzeug mit schußbereiten Waffen umstanden.
Ein Mann stieg ein. Er war schon älter, hatte ein mageres Gesicht und kalte Augen.
Suko schaute nach vorn. Von dem Berg war nicht viel zu sehen. Die Dunkelheit hatte ihr Tuch über ihn gelegt. Zudem war der Himmel bewölkt, so daß weder Mond noch Sterne ihr Licht auf die Erde warfen.
Suko sah sich in der Klemme. Und er bemerkte noch mehr. Zahlreiche Soldaten suchten das Gelände ab. Das Seilbahnunglück war natürlich nicht unbemerkt geblieben, jetzt brauchten sie einen Sündenbock. Suko hatten sie gefunden, nun rechneten sie damit, daß er noch Komplizen hatte.
»Ihr Name?« fragte der Offizier.
Suko zuckte die Schultern.
Die Lippen des Offiziers zitterten. »Wollen Sie mich hier auf den Arm nehmen? Ich hatte Sie etwas gefragt!«
»Nicht verstehen!« Suko stellte sich dumm. Er verstand die deutsche Sprach zwar nicht perfekt, einige Brocken konnte er aber. Das brauchte er den Soldaten allerdings nicht unter die Nase zu reiben.
Er wollte so tun, als wäre alles ein fürchterliches Mißverständnis.
Der Offizier – es war ein Major – drehte sich um. »Versteht einer von Ihnen chinesisch?« rief er.
Damit konnten seine Leute auch nicht dienen.
Suko mußte grinsen, als der Major fluchte.
Er versuchte noch zweimal, mit dem Chinesen ins Gespräch zu kommen, doch Suko schaltete immer nur auf stur.
Schließlich war es der Major leid. Er schlug mit der Faust auf seinen Oberschenkel und befahl zwei Leute zu sich.
»Wir werden den Gefangenen mitnehmen. Die Spezialisten sollen sich um ihn kümmern. Fahren Sie ab, Peters!«
Ein blondhaariger Soldat nahm hinter dem Lenkrad Platz. Ein zweiter Soldat setzte sich auf den Beifahrersitz, während der Major mit Suko im Fond blieb.
Der Chinese überlegte. Drei Gegner hatte er gegen sich. Normalerweise zuviel, doch sie kannten ihn nicht, wußten nichts von seiner Kampferfahrung. Vielleicht gelang es
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