0102 - Der Satan mischt die Karten
meinem Kopf:
»Doc, er hat die Augen geöffnet.«
»Schon gut«, brummte der Mann, der an mir arbeitete. »Er stirbt nicht. Hören Sie endlich auf, sich Sorgen zu machen, Decker!«
Ich verdrehte die Augen, bis ich Phils Gesicht sehen konnte. Er lachte mich verzerrt an.
»Morgan?« flüsterte ich.
»Schon abtransportiert mit doppelter Bewachung und Fußschellen.«
»Gianni?«
»Ohne Kratzer, der Bursche! Ich könnte ihn durchhauen, daß er nicht sofort aus der Hütte gerannt ist. Ich habe grauenvolle Minuten erlebt. Wir hörten die Schüsse, und wir wußten nicht, was wir unternehmen sollten. Wir wußten nicht, ob du tot warst, der Junge oder ihr beide.« Er knirschte mit den Zähnen.
»Ich haue ihn durch«, schwor er.
Ich mußte über Phils Zorn lächeln, und dann fiel ich prompt wieder in Ohnmacht.
Zwei Kugeln, von den vier Schüssen, die Morgan abgefeuert hatte, hatte ich mitbekommen. Eine davon saß zu tief in der Schulter, um noch harmlos zu sein. Die andere stak merkwürdigerweise in der Wade.
High und Phil besuchten mich häufig im Krankenhaus, aber einmal besuchte mich Gianni Fabricio mit seiner Mutter. Sie brachten mir Blumen, und ich freute mich. Signora Fabricio wollte mir danken, aber sie mußte weinen, und dann konnte sie kein Englisch mehr und sprach italienisch. Ich verstand es zum Glück nicht. Dank auf englisch wäre mir peinlich gewesen.
Gianni bedankte sich nicht. Gianni strahlte mich aus großen Augen an und sagte:
»Sie haben ihn furchtbar zusammengeschlagen, Sir. Sie waren ganz groß. Ich glaube, Sie sind besser als Sugar Robinson.«
»Du irrst dich, Gianni. Gegen Sugar Robinson würde ich keine zwei Runden stehenbleiben. Ich hatte nur Glück, weil der Mann in der Hütte noch schlechter war.«
Gianni zeigte ein ungläubiges Gesicht. Später fragte er:
»Sie sind ein G-man, nicht wahr?«
Ich nickte.
»Was muß man tun, um ein G-man zu werden?«
Ich lachte. »Reden wir darüber, wenn du die Schule hinter dich gebracht hast, Gianni!«
***
Der Prozeß gegen John Morgan brachte mehr Journalisten auf die Beine als die Verhandlung gegen den Entführer des Lindberg-Babys, aber der Verlauf enttäuschte. Es dauerte nur zwei Tage. Ein Tag für die Beweisaufnahme, ein Tag für die Plädoyers des Staatsanwaltes und des Pflichtverteidigers.
Die Geschworenen faßten ihren Beschluß innerhalb von fünf Minuten.
»Schuldig!« sagte ihr Obmann, und der Richter sprach das Urteil im Namen des Gesetzes:
»Tod auf dem elektrischen Stuhl!«
***
Ich lag noch im Krankenhaus, als die. Verhandlung gegen Morgan stattfand. Er sprach während des Prozesses kein Wort, aber nach seiner Verurteilung richtete er ein Gnadengesuch an den Gouverneur.
Er bekam einen Vollstreckungsaufschub von drei Wochen wie jeder Verurteilte. Dann verwarf der Gouverneur das Gesuch.
Morgan schrieb einen zweiten Gnadenbrief an den Präsidenten. Er begann plötzlich, um sein Leben zu kämpfen. Er fand einen Anwalt, der sich einen Namen machen wollte, und der für ihn alle Tricks ausprobierte, um ihn vor dem elektrischen Stuhl zu retten.
Fast vier Monate saß John Morgan in der Todeszelle. Dann scheiterte der geschäftstüchtige Anwalt endgültig.
Ich war längst aus dem Krankenhaus, als der ›Teufel‹ zur Hinrichtung geführt wurde. Ich hätte hingehen können, aber ich tat es nicht.
An einem Montagmorgen um fünf Uhr achtunddreißig schaltete der Scharfrichter den Strom ein.
Später hörte ich, daß John Morgan bis zum letzten Augenblick getobt und um sein Leben gefleht habe.
ENDE des Dreiteilers
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