0102 - Der Satan mischt die Karten
bösem Grinsen.
»Mach Schluß!« sagte ich. »Hier bin ich, waffenlos! Schick den Jungen fort und halte dein Versprechen.«
Er sah mich aus glitzernden Augen an.
»Wieviel von deinen Freunden lauem um diesen Hügel, heh? Ein Dutzend, zwei Dutzend, sämtliche Polizisten von New York? Glaubst du, ich wäre damit zufrieden, dich sterben zu sehen und dann über deiner Leiche zusammenzubrechen, gespickt mit Kugeln aus den Kanonen deiner Kumpane? - Nein, G-man, du sollst wissen, daß ich noch leben werde, wenn du längst tot bist. Der Boy hier wird mir als Schild dienen, wenn die Cops mich als Zielscheibe benutzen wollen, und ich glaube, sie werden die Finger von den Abzügen lassen, wie du. Ich werde durch Ketten von Polizisten gehen mit dem Lauf der Waffe am Kopf des Jungen.«
Ich schluckte.
»Schick den Jungen weg«, sagte ich heiser. »Nimm mich als Geisel. Sie werden auch auf dich dann nicht schießen, wenn ich vor dir hergehe.«
»Zu gefährlich, G-man. Ich habe schon einmal versucht, dich irgendwohin zu transportieren, und du hast es verstanden, dich herauszuwinden. Warum soll ich ein Risiko eingehen?«
Meine Kehle war so trocken, daß ich kaum sprechen konnte.
»Wegen des Kindes, Morgan«, stieß ich hervor. »Du wirst den Jungen nicht töten. Halte dein Wort und schicke ihn weg! Ich bin hier.«
Er zog die Lippen von den Zähnen und zeigte das abstoßendste Grinsen, das ich je in einem Menschengesicht gesehen habe.
»Du Narr«, sagte er leise. »Willst du mein Gewissen wecken? Ich weiß nicht einmal, was ein Gewissen ist. Ich kann diesen Drücker berühren. Es ist eine kleine Bewegung. Die Kugel fährt irgendwohin, und mir, Cotton, ist es völlig gleichgültig, wen sie trifft«
Ich biß die Zähne in die Lippen, daß ich den metallischen Geschmack des eigenen Blutes spürte.
Morgans Gesicht zeigte unverändert das scheußliche Grinsen, das ihm jede Menschenähnlichkeit raubte.
»Und noch eines mußt du wissen, G-man, bevor du stirbst«, sagte er mit einer tonlosen Stimme. »Ich will dir die Illusion rauben, daß du mit deiner Tat, die du für hochherzig hältst, dem Jungen hier das Leben gerettet hast. Der Gedanke daran könnte dir das Sterben leicht machen, und ich will, daß du schwer stirbst. Ich will, daß du weißt, daß dein Sterben sinnlos ist und ohne, Zweck, denn, G-man, wenn ich mit dem Boy als Schutz die Kette deiner Freunde passiert habe, dann, mein Freund, töte ich den Jungen.«
Mein Blut erstarrte. Ich empfand ein Gefühl, als würde mein ganzer Körper zu Eis. Ich sah John Morgans Augen, in denen sich ein fanatisches, schon irres Licht entzündet hatte. Ich bewegte die Lippen. Die Worte formten sich ohne meinen Willen.
»Du bist wahnsinnig«, sagte ich leise.
Die Grimasse zerbarst zu einem höhnischen Gelächter.
»Vielleicht«, heulte Morgan, »aber du warst verrückter, als du herkamst. Wieviel Zeit willst du noch für deine letzten Gedanken? Zwei Minuten? Drei Minuten! Ich bin großzügig.«
Mein Blick glitt vom Gesicht des Mannes ab und suchte die Augen des Jungen. Groß und dunkel standen sie in dem schmalen, bräunlich-bleichen Gesicht. Hatte sich ihr Ausdruck verändert? Stand nicht mehr die panische Angst darin, sondern etwas, das wie Vertrauen aussah.
Vielleicht war es Einbildung, aber ich glaube nicht, daß man sich in solchen Augenblicken irrt.
Gianni sah mich voller Hoffnung an.
Ich fühlte, wie die Lähmung verschwand.
Armer Gianni, dachte ich. Ich muß kämpfen, wenn ich dich retten will, aber ich weiß nicht, ob es mir gelingt. Vielleicht gelingt es mir nicht, und er tötet dich, sobald ich die erste Bewegung mache. Aber wenn ich mich still halte und sterbe, dann tötet er dich auch. - Ich werde es versuchen, Gianni. Verzeih mir, wenn es nicht gelingen sollte.
Meine Gedanken jagten sich. Wenn überhaupt eine Chance bestand, dann lag sie in jenem winzigen Sekundenbruchteil, in dem Morgan die Pistole vom Kopf des Jungen fortnahm, um sie auf mich zu richten. Keine Stoppuhr der Welt konnte die Zeitspanne messen, so kurz war sie, aber ich mußte sie ausnutzen, wenn ich das Kind retten wollte, und vielleicht auch mich.
»Knall los, du Irrer!« sagte ich kalt.
In Morgans Augen glomm etwas wie Erstaunen hoch. Ich verzog den Mund zu einem verächtlichen Lächeln.
»Rutscht dir das Herz im letzten Augenblick in die Hose?« höhnte ich.
Ich sah, wie seine Wimpern zuckten. Da war er, der Sekundenbruchteil Die Hand mit der Pistole zuckte über dem Kopf des Kindes
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