0102 - Die Horde aus dem Jenseits
ist ein ernsthafter Mann, der nur dann hierherkommt, wenn es wirklich ein Problem gibt, um das wir uns kümmern müssen…«
Geraldine bekam rote Wangen und brauste auf: »Denken Sie, ich habe mir das, was ich Ihnen erzählte, aus den Fingern gesogen, um Sie zu ärgern? Ist das, was ich sage, etwa nicht ernst zu nehmen? Es können nicht alle Bürgermeister von Tunstall sein, Konstabler!«
Quayle seufzte. »Paß auf, Geraldine. Ich mache dir einen Vorschlag: Komm morgen wieder. Wenn Walter Sherman bis dahin von selbst noch nicht aufgetaucht ist, werden wir ihn suchen, okay?«
Das Mädchen war damit nicht einverstanden. Es schüttelte starrsinnig den Kopf.
»Jetzt reißt mir aber bald der Geduldsfaden, meine Liebe!« sagte Quayle verdrossen. »Glaub mir, Walter Sherman ist in Birmingham…«
»Ohne Wagen? Sein Cortina ist kaputt.«
»Es gibt eine Eisenbahn. Es gibt eine Autobuslinie. Es kann ihn jemand mitgenommen haben.«
Geraldine schüttelte abermals heftig den Kopf. »Er ist verschwunden. Hier in Tunstall. Auf dem Heimweg!«
»Verdammt noch mal, wieso glaubst du, so gewiß sein zu können?«
Es platzte plötzlich aus dem Mädchen heraus. Sie hatte es für sich behalten wollen, doch nun glaubte sie, es sagen zu müssen, damit der Konstabler begriff, was hier gespielt wurde. Sie erwähnte nicht, weshalb Walter seinen Wagen in den Wald gelenkt hatte. Sie begann einfach damit, daß der Cortina gestreikt hatte und daß sie den Heimweg zu Fuß fortsetzen mußten. Sie berichtete, wie unheimlich es im Wald gewesen war.
Cole Quayle hörte sich ihre Geschichte an, als wäre das Ganze nichts weiter als ein phantasievoll ausgeschmücktes Märchen.
Er glaubte ihr kein Wort, das erkannte sie an seinen Augen.
Trotzdem berichtete sie von dem Erlebnis beim Moor, von den fünf schrecklichen Gestalten, die sich aus dem Sumpf erhoben und sie verfolgt hatten.
Langsam wurde der Gesichtsausdruck des Konstablers ärgerlich.
Als Geraldine erzählte, daß sie die scheußlichen Wesen mit zwei Ästen vertrieben hatte, mit denen sie ein Kreuz bildete, legte Quayle seinen Bleistift mit grimmiger Miene weg. In seiner Halsschlagader pochte das Blut. Er war wütend. Seine Augen wurden schmal.
Nachdem Geraldine Norris zu einem Ende gekommen war, knurrte Cole Quayle: »Bist du mit deinem Schauermärchen jetzt fertig?«
»Es ist kein Schauermärchen!« behauptete Geraldine zornig.
»Du erwartest doch nicht von einem erwachsenen Mann, daß er dir diese Lügen glaubt!«
»Es sind keine Lügen!« Geraldine hatte Tränen in den Augen. Am liebsten hätte sie dem Konstabler eine Ohrfeige gegeben, so wütend war sie.
»Spukgestalten!« schrie Cole Quayle. »Monster! Ich bin sicher, du hast in der vergangenen Nacht verdammt schlecht geträumt. So. Und jetzt laß mich meine Arbeit tun… Und behalte deine Gruselgeschichten künftighin für dich. Ich will nicht, daß unser Dorf, in dem es bis zum heutigen Tag so friedvoll zuging, in hysterische Panik verfällt!«
Geraldine konnte ihre Tränen nicht mehr länger zurückhalten. Sie wandte sich hastig um und rannte aus dem Office, und sie knallte die Tür hinter sich so fest zu, wie sie nur konnte.
***
Geraldine Norris konnte den Mund nicht halten, und so kam es, daß Professor Zamorra - als er nach Tunstall kam - von ihrem nächtlichen Erlebnis erfuhr. Er sprach mit dem Mädchen im Hause ihrer Eltern, die in einer Konservenfabrik in Stoke-on-Trent arbeiteten. Zamorra saß Geraldine in der geräumigen Wohnküche gegenüber und hörte sich schweigend an, was sie zu berichten hatte. Im Gegensatz zu Konstabler Quayle glaubte ihr der Professor jedes Wort.
Nicole Duval und Bill Fleming waren indessen ausgeschwärmt, um sich quer durch Tunstall zu fragen und möglicherweise eine Spur von Quintus zu entdecken.
»Wir hatten unbeschreibliche Angst«, sagte Geraldine mit bebender Stimme. »Ich bin heute sicher, daß wir verloren gewesen wären, wenn mir nicht die rettende Idee mit dem Kreuz gekommen wäre.«
Zamorra nickte. »Da haben Sie recht, Miß Norris. Ihr Abenteuer hätte in der vergangenen Nacht sehr schlimm enden können.«
»Was hätten diese abscheulichen Bestien mit uns gemacht, Professor?« fragte das Mädchen mit ängstlichem Blick.
»Niemand kann das sagen. Der Einfallsreichtum solcher Schattenwesen ist geradezu erschreckend für uns Menschen.«
»Woher kommen sie?«
»Aus der vierten Dimension. Aus den unauslotbaren Tiefen des Grauens. Aus dem Reich des Schreckens. Es gibt viele
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