0102 - Die Horde aus dem Jenseits
Licht mehr herein.
»Na, so was!« stieß der Konstabler verblüfft hervor. Er drückte auf den Knopf seiner Schreibtischlampe. Sie flammte nicht auf. Und es wurde immer dunkler im Raum. Die Nacht hielt Einzug. Kälte strömte Cole Quayle aus allen Ecken entgegen. Sie umhüllte ihn und ließ ihn frierend mit den Zähnen klappern. Er stieß sich an der Schreibtischkante und fluchte. Gereizt drehte er sich um die eigene Achse.
»Verdammt noch mal, was ist denn hier los?!« schrie er.
Schrille Töne schossen auf ihn zu, bohrten sich wie Lanzen schmerzend in seine Ohren und durch sein Gehirn. Er zuckte heftig zusammen. Ein seltsames Glitzern überspannte eine Sekunde später die Decke.
»Quayle!« flüsterte es von überallher. »Cole Quayle!«
Der Konstabler starrte perplex dorthin, woher die Rufe kamen. Ein schauriges Lachen hallte durch den Raum und verlor sich wieder. Der fluoreszierende Schein der Decke erhellte den Raum geringfügig. Etwas huschte an Quayle vorbei, streifte ihn. Er schrie erschrocken auf, wankte mit abwehrend hochgerissenen Armen zurück.
An der gegenüberliegenden Wand erschienen unheimliche Gesichter, die ununterbrochen in Bewegung waren. Sie veränderten ständig ihr Aussehen, waren die furchtbarsten Fratzen, die man sich vorstellen kann.
Quayle glotzte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
Die Gesichter verschwammen ineinander, wurden zu einem einzigen großen, bleichen Totenschädel, dessen Stirnknochen aufklaffte. Dunkelrotes Blut quoll daraus hervor, rann über das Knochengesicht und anschließend über die Wand.
Quayle zweifelte an seinem Verstand.
Gleichzeitig zweifelte er aber auch daran, ob es richtig gewesen war, die Geschichten nicht zu glauben, die man ihm erzählt hatte.
War der Totengräber von Ashbourne etwa doch zum Ghoul geworden? Hatte Geraldine Norris vielleicht doch diese schrecklichen Monster im Wald gesehen? Knarrend klappte der weiße Kieferknochen nach unten. Aus dem schwarzen Rachen des Totenschädels kam ein markerschütterndes Stöhnen.
»Quayle!« gurgelte die grauenvolle Erscheinung. »Cole Quayle!«
»Verschwinde!« brüllte der Konstabler bestürzt. »Weg! Weg! Weg! Laß mich in Ruhe!«
»Willst du nicht wissen, wer ich bin?«
»Nein! Hau ab!«
»Ich bin Quintus!«
»Laß mir meinen Frieden!«
»Ich möchte, daß du etwas für mich tust!«
»Ich rühre keinen Finger für dich!«
»O doch. Das wirst du.«
»Niemals!«
»Du hast keine andere Wahl, Quayle.«
»Du kannst mich zu nichts zwingen.«
Der Dämon lachte gehässig. »Ich werde dich sofort vom Gegenteil überzeugen.« Der große Totenschädel löste sich plötzlich von der Wand. Der Konstabler glaubte, das Herz würde ihm stehenbleiben. Er griff sich entsetzt an die Brust. Flucht! hämmerte es plötzlich in seinem Kopf. Du mußt fliehen! Du mußt hier raus! Er kreiselte keuchend herum und jagte durch das Office. Quintus stieß ein höhnisches Lachen aus. Quayle erreichte die Tür. Seine Hand flog vor und landete auf der Klinke. Im selben Moment bekam er einen gewaltigen elektrischen Schlag, der ihn kreischend aufschreien ließ und zu Boden warf.
Wieder lachte der schwebende Totenschädel.
Er schaukelte durch die Luft und erreichte Cole Quayle, als dieser sich mühsam wieder hochrappelte.
Der Konstabler schlug nach der Knochenfratze. Seine Fäuste sausten jedoch durch die grauenerregende Erscheinung hindurch.
Und der schwebende Totenschädel kam Zoll um Zoll näher.
Quayle konnte ihn nicht von sich fernhalten. Die bleiche Visage stieß gegen ihn. Eiswasser floß plötzlich durch seine Adern. Der große Totenkopf sickerte durch seine Poren in seinen Körper und verschwand innerhalb weniger Augenblicke vollends darin.
Der Konstabler hörte die Stimme des Dämons in sich.
Hohntriefend sagte sie: » Wir sind jetzt Quintus!«
***
Bill Fleming fand Irving Hill in der Dorfkneipe. Der schäbig gekleidete Mann mit den grauen, ewig zerzausten Haaren, von dem Bill wußte, daß er vermutlich einer der letzten gewesen war, die Walter Sherman gesehen hatten, war gerade mal wieder dabei, sich zu betrinken. Er hatte einen doppelten Scotch vor sich stehen und genoß jeden einzelnen Schluck davon.
»Wir begegneten uns auf dem Dorfplatz«, erzählte Hill.
»War Sherman allein?« wollte Bill wissen.
»Ja, Er war auf dem Nachhauseweg.«
»Fiel Ihnen etwas an ihm auf?«
»Er hatte zerrissene Kleider - und er erzählte mir, daß ihn sein Wagen im Stich gelassen hatte. Wir sprachen nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher