0108 - Das Eisgefängnis
rechnen müsse.
Darauf konnten wir ihm auch keine konkrete Antwort geben. Wir verabschiedeten uns.
Draußen schüttelte Bartholo den Kopf. »Grausam«, sagte er, »wenn ich daran denke, daß ich auch einmal dort liegen könnte…«
Ich nickte. »Da sagen Sie was, Kommissar. Aber wir sollten uns jetzt nicht schon verrückt machen.«
»Sie müßten eigentlich viel mehr Angst haben, Kollege. Ich habe im Vergleich zu Ihnen einen relativ ruhigen Job.«
Da widersprach ich ihm nicht.
Wir waren diesmal die Treppen hochgegangen. In der hohen Eingangshalle blieben wir stehen. »Soll ich Sie noch zum Hotel fahren?« bot sich der Kommissar an.
»Nein«, meinte Suko. »Sie haben genug zu tun.« Der Chinese hatte in meinem Sinne gesprochen.
Ich reichte Bartholo die Hand. »Wir werden uns ein Taxi nehmen. Außerdem hören Sie wieder von uns.«
»Würde mich freuen.« Bartholo lächelte. »Und wenn der Fall abgeschlossen ist, müssen Sie unbedingt unseren sizilianischen Wein kosten. Ein Gedicht, sage ich Ihnen.«
»Wir nehmen Sie beim Wort«, lachte ich.
»Das können Sie auch.«
Der Portier bestellte uns ein Taxi. Kommissar Bartholo sah uns nach, bis wir eingestiegen waren.
***
Die Autofahrer in Palermo schienen ihre Führerscheine durchweg über ein Versandhaus zu beziehen, denn jeder fuhr so, wie es ihm gerade in den Sinn kam.
Da tönten Hupen, da wurde gebremst, geschimpft, rücksichtslos die Vorfahrt genommen, Gas gegeben, geschleudert und wieder gebremst. Manch einer hielt seinen Arm aus dem offenen Fenster, wenn er abbiegen wollte, andere taten überhaupt nichts, sondern fuhren kurzerhand um die Ecke.
Und trotzdem passierte kein Unfall.
Unser Taxifahrer schien auch ein verhinderter Stirling Moss zu sein. Er hockte geduckt hinter dem Alfa-Lenkrad, fluchte, brüllte und lachte manchmal schadenfroh, wobei er nie vergaß, auch kräftig die Hupe zu bedienen.
Ich schaute Suko an, der schaute mich an. Und der Chinese hob gottergeben die Schultern.
Was soll man da machen?
Wir fuhren durch eine Stadtmitte, in der sich Fortschritt und Tradition die Hand gereicht hatten. Allerdings nicht immer zum Wohl der City. Manche Geschäftshäuser wirkten wie Schandflecke neben den älteren Bauten, und überall wurde gebaut und umgeleitet.
Das »Bella Vista« lag etwas versetzt. Ein Grüngürtel wuchs von der Straße aus hoch, umgeben von einer Anfahrt. Dort steuerte der Fahrer den Alfa hinauf.
Drei Pagen liefen aus dem Hotel und warteten.
Der Wagen hielt mit quietschenden Reifen. Ich beglich den Fahrpreis, ließ mir eine Quittung geben und schnappte einem Pagen meinen Einsatzkoffer weg.
»Den trage ich selbst.«
»Wie Sie wünschen, Signore.«
Das weit vorspringende Dach über dem Eingang wurde von zwei wuchtigen Säulen gestützt. Moderne Glastüren schwangen auseinander, als unsere Füße einen im Boden liegenden Kontakt berührten.
In der Halle war es phantastisch kühl. Dafür sorgten auch die Marmorwände, die erst gar keine Wärme abstrahlten. Schwarze Sessel machten sich gut auf dem beigefarbenen Stein, und große Blumenkarrees vermittelten die Atmosphäre eines tropischen Gartens.
Wir gingen vor bis zur Rezeption.
Die Angestellten dahinter trugen dunkle Anzüge und schneeweiße Hemden.
Das Lächeln schien nie aus ihren Mundwinkeln zu verschwinden. Ich stützte meine Ellenbogen auf und stellte uns vor.
»Natürlich, für Sie sind zwei Zimmer reserviert!« Blitzschnell bekamen wir die Schlüssel und einen internen Hotelprospekt.
Mich interessierte allerdings nicht die Lage des Pools oder der Fitneßräume, ich war gekommen, um zu arbeiten. Suko dachte da ähnlich.
In der Halle war es ziemlich leer. Nur zwei Männer hatten sich in den bequemen Sesseln ausgestreckt. Sie schauten uns an und blickten desinteressiert zur Seite, als sich unsere Blicke trafen.
Zum Glück hatte man keinen Anstoß an meinem schmutzigen Anzug genommen.
Mit dem Lift fuhren wir hoch in den vierten Stock.
Hier war es nicht mehr so luxuriös wie unten im Foyer. Der Gang war sogar ziemlich düster.
Der Page stand mit dem Gepäck bereit. Sukos Zimmer lag neben dem meinen, allerdings gab es keine Verbindungstür.
Ich wurde ein Trinkgeld los und ging zu Suko, um mit ihm den weiteren Plan zu besprechen.
»Erst einmal frisch machen«, sagte der Chinese und zog schon sein Hemd aus.
An der Wand gelehnt blieb ich stehen. »Und dann statten wir Dr. Tod einen Besuch ab.«
»Du willst also in die Höhle des Löwen?«
»Angriff ist die beste
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