0108 - Die fliegenden Skelette
glaubte er nicht. Der Dämon zeigte sich nicht. Dafür sah Zamorra Taxetl.
Der große Mann stand vor dem Altar, von gelbroten Flammen umzüngelt, in der Rechten den Stab mit der glühenden Sonnenscheibe. Auch das Sonnenemblem auf seiner Stirn glühte. Rechts vom Altar standen zwei andere Männer, zehn Schritt neben Zamorra einer und links vom Altar zwei. Alle fünf trugen Lanzen, an denen bläuliche Flammen entlangzüngelten.
Zu beiden Seiten des Altars loderten aus den Onyxschalen Flammen, deren Farbe sich ständig veränderte. Mal waren sie grün, dann gelb, wechselten in Rot über, wurden schließlich blau, dann wieder fast weiß.
Zamorras Blick saugte sich an der riesigen Onyxschale fest, deren Inneres mit Gold ausgeschlagen war. Deutlich erkannte er an der Unterseite eine tüllartige Öffnung. Darunter stand eine silbern glänzende Schale.
Ihm war klar, daß der Dämon ein Menschenopfer bringen wollte. Wie er es angekündigt hatte. Nicole sollte dieses Opfer sein.
Aber warum hielt Uztapioc die Frist nicht ein? Wußte er nicht erst seit Zamorras Begegnung mit den lebendig gewordenen Mumien, daß dieser kam? Oder war alles nur eine gemeine List des Dämons? Zamorra traute Uztapioc alles zu. Nur nichts Gutes.
Alles deutete darauf hin, daß in der Halle eine Zeremonie stattfinden sollte. Ein Blutopfer. Entweder für Quatlepec, um sich dessen Gunst zu erhalten, oder für irgendeinen anderen Mächtigen aus dem Reich der Finster nis und des Bösen.
Professor Zamorra blieb abwartend stehen. Vorerst konnte ihm nichts geschehen, die aus seiner Aura bestehende Tarnkappe schützte ihn davor, von einem der Dämonen entdeckt zu werden.
Dennoch war es möglich, daß Uztapioc seine Anwesenheit spürte. Weil Zamorra damit rechnete, war alles in ihm gespannte Abwehr. Seine sämtlichen Sinne waren hellwach. Was auch geschehen mochte, er würde blitzartig reagieren.
Nur dann war gewährleistet, daß ihn der Dämon und seine Sklaven nicht zu überrumpeln vermochten. Und da war noch etwas: Nicole Duval, die sich ja in Uztapiocs Gewalt befand.
Ihr durfte nichts geschehen, also mußte Zamorra doppelt vorsichtig und wachsam sein.
Das diffuse goldfarbene Licht änderte sich, wurde allmählich heller, ging ins Gelbliche über, wurde schließlich bläulich-weiß. Solaria, die jungfräuliche Sonne schwebte herein.
Sie kam von irgendwoher. Zamorra hatte es nicht beobachten können. Sie mußte direkt aus der Quaderwand gekommen sein, rechts vom Altar, wo die beiden Lanzenträger standen.
Solaria ging nicht, sie schwebte wie auf einem Luftkissen gut einen Yard hoch. Erst vor der Mitte des Altars senkte sich ihr aufrecht stehender Körper und die Füße berührten den Boden. Sie war nackt bis auf den Lendenschurz und das Stirnband.
Musik erklang plötzlich. Seltsame Töne, die Zamorra an einen Harmonizer erinnerten. Dazwischen Klänge wie von Finger Cymbals, dann rhythmisches Klopfen, das sich anhörte, als würden flinke Hände African Shakers bewegen. Dazwischen Pausen, in denen Tomtoms dröhnten.
Zamorra ließ die Blicke umherwandern, jeden Moment gegenwärtig, daß sich Uztapioc zeigte.
Er brauchte nicht lange zu warten. Das Feuerrad wurde sichtbar, senkte sich von der Hallendecke herunter, trat aus dem bläulich-weißen Licht heraus.
Uztapioc war nicht allein. Nicole Duval war bei ihm. Sie stand vor ihm, der sie um mehr als einen Kopf überragte.
Tiefer und tiefer kam das Rad, blieb neben Solaria stehen. Dann war es jäh fort. Von einem Augenblick auf den anderen.
Uztapioc trat zur Seite. Die nackte Nicole, deren Körper von einem fast durchsichtigen Umhang aus feinem Gespinst umwallt wurde, stand nun zwischen dem Dämon und Solaria. Ihr rassiges Gesicht war maskenhaft starr. Die Arme lagen eng am Körper. Ihre Augen schienen nicht zu leben.
»Du hast keine Zeit zu verlieren«, raunte eine Stimme in Zamorras Ohr. »Ich bin es, Leonardo de Montagne! Du kannst mich nicht sehen, nur hören! Warte nicht, handle! Sonst ist es zu spät!«
Professor Zamorra bewegte sich nicht, antwortete auch nicht.
»Das Amulett!« sagte die Stimme. »Benutze es gegen den Dämon! Er ist gegen alles immun, nur gegen das Amulett nicht!«
Die Warnung war eindringlich genug. Zamorra durfte keine Zeit verlieren. Er setzte sich in Bewegung. Direkt auf Uztapioc zu.
Die Aura des Dämons wechselte die Farbe. War sie eben noch grün, so leuchtete sie nun in zartem Rot. Uztapioc streckte die Arme aus dem Brokatumhang.
»Nicole Duval«, sagte er und
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