011 - Das Transmitterinferno
Dein Hobby‹ suchte Bernstein jetzt einen Encephalo-Chirurgen!
»Bernstein, wie du deine Arbeit machst, ist mir egal, solange du sie machst«, knurrte H. P. Newton, sein Ressortchef, ihn wieder einmal an wie eine gereizte Bulldogge, »bloß solltest du dir endlich angewöhnen, von Interviewpartnern zu sprechen und nicht von Opfern!«
»Kann ich was dafür, wenn sie Opfer sind für diesen Super-Blödsinn, den ihr mir da aufgehalst habt? Ich könnte Waters dafür umbringen, dass er diesen Schmalz mir hat anhängen können …«
»Kein Wunder, dass sie dich als Terrorist gejagt haben. Du und deine Opfer …«
Bernstein war froh, als er wieder allein hinter seinem Schreibtisch saß. Newton hatte sich in den letzten Wochen angewöhnt, seine Arbeitszeit ebenfalls in die frühen Nachtstunden zu verlegen. Unter den Kollegen kursierten die Gerüchte, dass er dadurch seinem ehelich angetrauten Götterdrachen aus dem Weg gehen wollte. Wenn Newton heimkam, schlief seine Frau den Schlaf der Gerechten und wenn Newton aufwachte, war sie längst an ihrem Arbeitsplatz.
Newton selbst hielt sich aus den Gerüchten raus.
Im Personalstamm des Medo-Centers fand Bernstein gleich drei Encephalo-Chirurgen, aber als er abfragen wollte, welcher der drei in der Woche nach dem zwanzigsten Juli zur Abteilung innere Sicherheit abkommandiert worden war, sperrte der Computer. Die gesamte Display-Fläche glomm in bedrohlichem Leuchtrot. »Abfrage nicht erlaubt«, blinkte es in großen, weißen Lettern.
Damit hatte Bernstein sich zufrieden zu geben, aber niemand konnte ihn hindern, die drei Mediziner persönlich aufzusuchen.
Mit dem Trick hatte er schon einmal gearbeitet, wenngleich Newton einfach nicht verstand, warum man so selten dämliche Fragen, wie sie für ›Du und Dein Hobby‹ üblich waren, nicht per Intercom abhaken konnte. Warum musste man den Leuten auch noch persönlich auf die Nerven gehen?
»Weil das hinterher Leser und Zuschauer merken. Der persönliche Touch ist einfach intensiver«, verteidigte sich Bernstein. »Außerdem gewinne ich dann ein klares Persönlichkeitsbild und sehe, wen ich in die engere Auswahl einbeziehen kann.«
Newton schüttelte nur den Kopf. »Bernstein, du kannst dir so viel Mühe geben wie du willst, aber mit ›Du und Dein Hobby‹ kletterst du auf der Karriereleiter keine Sprosse weiter hoch. Dein Pech, dass du den Kram jetzt hast und damit fertig werden musst, aber Waters hat sich so viel Arbeit nie gemacht und die Zuschauer und Leser waren trotzdem zufrieden. Außerdem, was versprichst du dir davon, Gehirnspezialisten vorzustellen? Meinst du nicht, dass die Leute vor denen Angst haben?«
»Eben drum will ich einen Encephalo-Chirurgen haben«, trumpfte Bernstein auf. »Ich will erreichen, dass die Menschen diese Mediziner nicht als Monster sehen, die anderen im Gehirn herumpfuschen, sondern als Menschen wie du und ich und am besten geht das, wenn man ihre Hobbys vorführt.«
»Bernstein, ich erkenne dich nicht wieder«, sagte Newton kopfschüttelnd. »Du entwickelst einen Ehrgeiz, den ich an dir gar nicht kenne. Hast du nicht selbst vorhin noch von Schmalz geredet?«
»Von Superschmalz«, sagte Bernstein trocken. »Aber wenn Superschmalz nicht wichtig wäre, würde ich doch kaum darauf angesetzt werden oder sonst wer, egal wer es ist. Die Leute wollen den Unsinn doch, also bin ich bemüht, ihnen Unsinns-Qualität zu liefern.«
»Sag mal, Bernstein, kann man den Begriff ›Unsinns-Qualität‹ auch im Lexikon nachschlagen?«
Bernstein winkte ab. Er hielt es für sinnlos, die Diskussion fortzusetzen. Was er wollte, hatte er: grünes Licht seines Ressortleiters für persönliche Besuche.
Über Intercom meldete er sich bei den drei Encephalo-Chirurgen an.
»Was? Mit diesem Unsinn wollen Sie zu mir?«, empörte sich Dr. Cass.
»Die Reihe hat ein neues Gesicht und neue Inhalte bekommen«, rechtfertigte sich Bernstein. »Geben Sie uns eine Chance. Tausende von Menschen lesen unsere Zeitung und sehen unsere parallele Fernsehreihe …« Wobei er verschwieg, dass die leicht intellektueller angehauchte Zeitungs-Ausfertigung weniger Beachtung fand als die Übertragung im Fernsehen, mit der auch der andere Teil der unterhaltungssüchtigen Bevölkerung versorgt wurde.
Er redete mit Engelszungen. Schließlich willigte Cass für einen Termin am 13. 9. ein. Die beiden anderen Encephalo-Chirurgen waren zugänglicher.
Jerry Bernstein klapperte sie notgedrungen ab, stellte Fragen, entwarf sein
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