011 - Der grüne Brand
Schilderung des Vorfalls im ›Post Record‹ las, wurde ihr vieles klarer. Der Berichterstatter hatte das Ganze geschickt zusammengefaßt:
›Die Tragödie, die sich gestern im Grand Alliance abspielte, muß wahrscheinlich der langen Liste ungelöster Verbrechen hinzugefügt werden. Mr. Jackson wohnte seit einer Woche in dem Hotel und war gerade im Begriff, nach Kanada abzureisen. Dr. Harding hat unserem Reporter erzählt, daß der Mann ihm gegenüber behauptet hatte, ein Freund John Millinborns gewesen zu sein, und daß er nun nach Kanada auswandern wolle. Er zeigte vorzügliche Referenzen vor, und Dr. Harding bot ihm seine Hilfe an. Im letzten Augenblick erst fiel ihm die Ähnlichkeit auf, die der Mann mit dem im Fall Millinborn Gesuchten hatte. Dr. Harding wollte die Polizeibehörde in Liverpool verständigen, da er annahm, daß Jackson bereits dorthin abgereist sei, als er ihn ganz unerwartet noch einmal im Hotel traf.
Wahrscheinlich liegt ein Selbstmord vor. Der Mann wurde ohnmächtig, und Dr. Harding verabreichte ihm ein vollkommen harmloses, herzstärkendes Medikament. Die Sektion der Leiche hat aber das Vorhandensein einer beträchtlichen Menge von Zyankali ergeben, und die Vermutung der Polizei geht dahin, daß der Mann sich vor der Ohnmacht selbst vergiftet hat. Als weiterer Beweis dafür gilt außerdem, daß man in seiner Tasche eine ganze Anzahl Zyankalitabletten fand.
»Ich bin überzeugt«, sagte der Doktor zu unserem Reporter, »daß der Mann die Tat schon lange geplant hatte. Als ich ihm auf den Kopf zusagte, für wen ich ihn hielt, entschloß er sich wahrscheinlich, auf der Stelle zu handeln. Natürlich habe ich nicht bemerkt, was er vorhatte, sonst hätte ich es zu verhindern versucht.«
Margaret schüttelte den Kopf, als sie dies las. Es war ihr klar, daß an dieser Geschichte etwas nicht stimmte.
Auch Mr. Beale las den Bericht. Ärgerlich warf er nachher die Zeitung auf den Boden und lächelte grimmig den Inspektor der Kriminalpolizei an, der ihm gegenübersaß.
»Wie gefällt Ihnen diese raffinierte Auslegung?« fragte er und schob die Zeitung mit dem Fuß unter den Tisch.
»Meiner Meinung nach haben wir genügend Beweise, um Harding zu verhaften«, entgegnete der andere. »Die Fliese, die Sie sichergestellt haben, zeigt eindeutig Spuren von Digitalis.«
Beale schüttelte den Kopf.
»Beweise nennen Sie das? Er hätte eine Digitalistablette auch durch Zufall fallen lassen können! Und wie wollen Sie nachweisen, daß er die Zyankalitabletten, die er in Predaux' Tasche schmuggelte, bei sich getragen hatte? Nein, da ist nichts zu machen.«
»Haben Sie sich denn schon eine feste Meinung gebildet?«
»Ich bin mir über vielerlei noch nicht im klaren«, entgegnete Mr. Beale. »Von etwas bin ich allerdings überzeugt - nämlich davon, daß Millinborn von Dr. Harding getötet wurde. Er hat ihn umgebracht, weil er während der Abwesenheit Mr. Kitsons ein sehr wichtiges Geheimnis aus ihm herausgepreßt hatte. Als Kitson zurückkam, fand er seinen Freund in den letzten Zügen vor. Wie Harding war auch er der Meinung, daß John nicht wieder sprechen würde. Zu seiner Überraschung hatte Millinborn aber doch noch einen lichten Augenblick und fing zu reden an - dies war der Grund für Harding, der Angst hatte, seine Schurkerei würde nun ans Licht kommen, ihn zu ermorden.
Die Verbindung zu dem Verbrechen im ›Grand Alliance‹ liegt auf der Hand. Einem Mann wird von dem gleichen Dr. Harding ein harmloses Medikament verabreicht - gleich darauf ist der Mann tot, und bei der Sektion stellt sich heraus, daß er mit Zyankali vergiftet wurde. Und wer ist der Tote? Natürlich der einzige Tatzeuge, der den Mord an John Millinborn wahrscheinlich gesehen hat und den wir seit diesem Verbrechen suchen.«
»Harding wird uns ein drittes Mal nicht entwischen. Seine Anwesenheit kann dann nicht mehr als Zufall gelten«, entgegnete der Inspektor.
Beale lachte.
»Zu einem dritten Mal wird es gar nicht kommen«, knurrte er. »Harding ist jetzt vorsichtig geworden.«
»Haben Sie eine Ahnung, welches Geheimnis Harding aus dem alten John Millinborn herausbringen wollte?« fragte der Beamte.
Beale nickte.
»Ich weiß es ziemlich genau«, entgegnete er, »und wenn ich ganz sicher bin, werden Sie es erfahren.«
Der Inspektor studierte noch immer den Zeitungsbericht.
»Wie ich sehe, hat die Untersuchungskommission auf Selbstmord im Zustand geistiger Umnachtung‹ erkannt«, sagte er. »Dieser Fall müßte Harding
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